Sicherheitspolitik. Die Türkei liegt geografisch inmitten einer von Krisen gebeutelten Region und hat für den Westen deshalb eine wichtige Funktion als Brückenkopf – wie im Syrien-Konflikt und beim Kampf gegen die islamistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Wien. Während der Flüchtlingskrise wurde die Türkei als Transitland für Schutzsuchende auf dem Weg Richtung Norden zum wichtigen strategischen Partner für die Union; wenigstens darin besteht Einigkeit unter den Mitgliedstaaten: An einer Zusammenarbeit mit Ankara führt langfristig kein Weg vorbei. Der gemeinsame Aktionsplan sieht die Rückführung aller in Europa gestrandeten Schutzsuchenden vor und verspricht der Türkei eine engere Anbindung an die Union.
Bedeutender Akteur für den Westen in einer von Krisenherden geprägten Region ist die Türkei aber bekanntlich schon viel länger. Als einziges islamisches Nato-Mitglied gilt das Land als wichtiger Puffer zwischen Ost und West. Zahlreiche Konflikte im Nahen Osten, die eine große Herausforderung für die EU darstellen, spielen sich in unmittelbarer geografischer Nähe der Türkei ab – Georgien, der Iran, der Irak und auch Syrien sind instabile Nachbarstaaten des EU-Beitrittskandidaten.
Besonders im Irak und dem Bürgerkriegsland Syrien konnte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zuletzt ausbreiten; und die Türkei stellt den USA eine Luftwaffenbasis für Angriffe gegen die Jihadisten zur Verfügung. Während Washington die syrischen Kurden im Terrorkampf aber unterstützt, bekämpft Ankara diese Verbände im Norden des Landes, da sie Verbündete der verbotenen Arbeiterpartei PKK sind.
Einigkeit zwischen der Türkei und dem Westen besteht darin, dass eine langfristige Befriedung Syriens nur mit der Absetzung von Machthaber Bashar al-Assad gelingen kann. Zur Syrien-Unterstützergruppe, die den Friedensprozess im Land verhandelt, gehören neben der Türkei die USA, die EU, einige arabische Länder sowie der Iran und Russland. Die beiden Letztgenannten zählen zu den engen Verbündeten des Regimes in Damaskus.
Schwere Spannungen mit Moskau
Der syrische Bürgerkrieg sorgte zuletzt auch für schwere Spannungen zwischen Ankara und Moskau: Im vergangenen November hatte die türkische Armee ein russisches Kampfflugzeug im türkisch-syrischen Grenzraum abgeschossen, das Einsätze gegen die Rebellen im syrischen Bürgerkrieg flog. Ankara begründete den Abschuss damit, dass der Jet türkischen Luftraum verletzt habe. Russland bestritt dies.
Die Nato wiederum betrachtete die Spannungen mit großer Sorge, selbst in diesen Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)