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Donaufestival: Schnitzel und Bananen in Krems

(c) David Visnjic
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Beim letzten Donaufestival unter der Leitung von Tomas Zierhofer-Kin ist die Migration ein zentrales Thema. God's Entertainment widmen sich ihm auf allzu klischeehafte Weise.

Sind Sie eingeladen? Nein? Zeigen Sie einmal Ihren Ausweis!“ Mit solchen Attacken hat man als Theaterbesucher für gewöhnlich nicht zu rechnen, bei der Aufführung der Wiener Theatergruppe God's Entertainment beim Donaufestival mussten sie kommen, und sie kamen. Denn das Motto der Performance war „Niemand hat euch eingeladen“, Intendant Tomas Zierhofer-Kin hat es fürs ganze Festival übernommen – und erklärt in seinem Vorwort: „Das künstliche Paradies der humanistischen abendländischen Werte basiert auf einem monetären wie intellektuellen Reichtum, der nur durch Unterdrückung und Ausbeutung ,der Anderen‘ entstehen konnte.“ Und: „Die gegenwärtige Situation ist das Ergebnis unseres noch immer zutiefst kolonialen und imperialen Denkens und Handelns!“

Wir – wen immer das Pronomen umfassen oder ausschließen mag – sind die Täter, die anderen sind die Opfer: ein hübsch einfaches Weltbild. Zu Beginn der Performance gab es Anlass zur Hoffnung, dass diese nicht ganz so schlicht richten und werten werde: „Das Tragische wird heute nicht stattfinden“, sagte eine Sprecherin, „wir haben auch keine Flüchtlinge.“ Dazu zerrten Nackte auf allen Vieren an ihren Ketten und knurrten bedrohlich: Sollten das wir sein oder die anderen? Wachhunde des Westens oder mühsam beherrschte Eindringlinge? Es war nicht klar, und es verstörte, verwirrte, ähnlich wie vor zwei Jahren beim Donaufestival, als God's Entertainment Menschen in einem Zoo ausstellte.

Doch dann wurde es platt, enttäuschend platt. „Österreichische Erde“ aus Säcken wurde aufgeschüttet und mit Wasser gegossen, das die „österreichischen Werte“ symbolisieren sollte, man hörte eine knackige Collage von Politikersprüchen (vor allem aus der FPÖ), dann wurden Wälle gebaut, eine Trennwand wurde aufgestellt, in einer Hütte mit der Aufschrift „Masturbationalismus“ fand eine „National-Peepshow“ statt: In ihr tat einer vor Bildern von Hansi Hinterseer, Trachtenpärchen, Norbert Hofer, Wiener Schnitzel etc. so, als ob er onaniere. Alles klar, danach aßen gewiss alle Nichtvegetarier die beim Donaufestival traditionellerweise angebotene Schnitzelsemmel mit gestärktem kritischen Bewusstsein: Wir sind nicht wie wir alle!

Jetzt die Bundeshymne! Der einzige Moment, an dem dieser Reflex zumindest hinterfragt wurde, war, als eine Performerin das Singen der Bundeshymne ankündigte: „Bitte stehen Sie alle auf!“, forderte sie wieder und wieder, nach fünf Minuten standen ungefähr zwei Drittel der Besucher. Man spürte das Grübeln: Was würde mein Aufstehen sagen? Dass ich ein Mitmacher bin? Dass ich mich daheim heimatlich fühle? Aber tut das der Van der Bellen nicht auch? Oder denke ich womöglich gar imperial? Und muss ich dann auch laut mitsingen?

Ja, das Mitmach-Theater stellt uns immer wieder auf harte Proben. Heikel wird es auch, wenn eine Performerin mit umgeschnalltem riesigen Gummipenis plötzlich weinerlich wird („I really feel nothing!“) und ihre Selbstzweifel mit uns teilen will. (Anmerkung: Ab jetzt steht die erste Person Plural schlicht für die Besucher des Donaufestivals, und diese waren übrigens alle sehr nett und nicht offensichtlich ausbeuterisch tätig.) Dann hilft nämlich nur Wortkargheit, die nächste Szene kommt bestimmt, diesfalls, in der Performance „Flèche“, sprang Elisabeth Bakambamba Tambwe im weißen Kleid in ein Planschbecken. Das Programmheft weiß von „kontinuierlicher Befragung des sozialen Körpers“. Im Vorraum des Forum Frohner kann man dann ein Video sehen, in dem Tambwe eine Orange gebiert, und auf dem Tisch liegt ein Zettel, der ganz im Apotheke-mit-Bewusstsein-Ton die Musa Paradisiaca anpreist: Sie verstärke die Hirnleistung, bringe positive Energie, helfe gegen Schlaflosigkeit und so weiter. Was kann das sein, fragte sich der von Bildungslücken geplagte Rezensent: der Grüne Veltliner, der daneben bereitstand? Die freundliche Performerin Tambwe belehrte ihn eines Besseren: Musa Paradisiaca ist der systematische Name für die Banane. Und eine solche ist wirklich eine gute Ergänzung zur erwähnten Kremser Schnitzelsemmel.

Zurück zur virtuellen Realität: zur Performance „Still Be Here“ in der Minoritenkirche. In ihrem Zentrum steht Hatsune Miku, ein Popstar, den es nicht wirklich gibt, sondern nur als 3D-Projektion, der aber „als Kristallisation kollektiven Verlangens“ diene, in den „wir unsere eigenen Fantasien projizieren“, so das Programmheft. Nun, Ähnliches könnte man über Lara Croft oder Winnetou auch sagen. Was man in der Videodokumentation sah, war ziemlich unaufregend, das wirkte wie Ars Electronica 1995, mit Laserwaffen, Computerstimme und so; nur der Hang der japanischen Populärkultur zum Kindchenschema ist und bleibt unheimlich.

Auf ganz andere Weise unheimlich ist die Performance „Frail Affinities“ von Saint Genet, die während des Donaufestivals in der Kunsthalle Krems läuft. Vor einem Gerüst aus Leuchtröhren sieht man bald nackte, bald notdürftig bekleidete Menschen, die offensichtlich frieren, sich in Goldfolien wickeln, deren Knistern den Eindruck der Kälte verstärkt. So wie die Musik, die ein wenig an Michael Nyman erinnert: minimalistisches Barock sozusagen, distanziert und doch sehnsüchtig. Die Performance soll an die „Donner Party“ erinnern, die Gruppe von Siedlern, die 1846 auf dem Weg in den Westen der USA waren und vom Winter überrascht wurden. 34 von 81 starben, Überlebende verzehrten das Fleisch der Toten. Auch eine Migrationstragödie, und zwar eine, bei der man sich schwer täte, Schuldige zu suchen, bei der keine schnelle Moral serviert werden kann. Gut, dass auch dafür Platz beim Donaufestival ist.

Donau- Festival

Tomas Zierhofer-Kin ist seit 2005 der künstlerische Leiter des 1988 gegründeten, vom Land Niederösterreich finanzierten Donaufestivals in Krems. Er wechselt 2017 nach Wien, wo er Intendant der Festwochen wird – nach Markus Hinterhäuser, der die Salzburger Festspiele übernimmt.

Thomas Edlinger, bekannt u. a. von der FM4-Sendung „Im Sumpf“, ist ab 2017 künstlerischer Leiter des Donaufestivals.

Heuer findet das Festival noch heute, 1. Mai, und von 5. bis 7. Mai statt. Die Performances von Saint Genet und God's Entertainment laufen täglich, dazu kommt ein reiches Musikprogramm. So treten am 7. 5. Pantha du Prince, Tim Hecker und DJ Koze auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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