AfD auf Anti-Islam-Kurs ohne Moscheeverbot

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Hilfe für aufklärerische Muslime wird aus dem Parteiprogramm gestrichen, einen Vorstoß für ein Verbot von Moscheen kann Vorsitzende Petry mit taktischen Tricks verhindern. Der öffentliche Rundfunk soll Pay-TV werden.

Stuttgart. Das Kapitel heißt „Kultur, Sprache und Identität“. Doch es ist klar, welcher Aspekt die Teilnehmer des AfD-Parteitags in Stuttgart am Sonntag am meisten interessiert: der Islam. Und damit jener Bereich, um den intern ein Machtkampf läuft. Eine Gruppe um den Tühringer Björn Höcke fährt einen strikten Kurs rechts außen, Parteivorsitzende Frauke Petry sucht – für AfD-Verhältnisse – die Mitte. Und ist bemüht, die von der Höcke-Gruppe gewünschten Verschärfungen abzuwehren. 60 Minuten soll über das Kapitel diskutiert werden, und Petry spielt auf Verzögerung – etwa mit einem Antrag zum Thema Debattenkultur.

Nur fordert das Plenum, dass die Änderungsanträge zum Thema Islam vorrangig behandelt werden. Das sei das eigentliche Thema, im Gegensatz zu den „unwichtigen Themen“, wie es ein Redner aus dem Publikum formuliert. Da gibt es Applaus, als ein Mitglied die „kulturelle Fremdheit des Islam“ zur Sprache bringt, und dass er sich nicht auf die gleiche Religionsfreiheit berufen könne wie das Christentum. Da gibt es Buhrufe, als ein anderer den Dialog mit Muslimen einfordert.

Petrys Trick mit dem Orchester

So kommt es zu einigen Verschärfungen. Es wird beschlossen, dass ein Passus aus dem Programm gestrichen wird, dass Muslime bei der Aufklärung unterstützt werden sollen. „Ein aufklärerischer Islam gedeiht in akademischen Biotopen, aber wird niemals mehrheitsfähig sein“, begründet es der Antragsteller – ein Höcke-Sympathisant. Beschlossen wird auch, dass bei der Passage „Verbot der Vollverschleierung“ die Wörter „durch Burka und Niqab“ gestrichen werden. Der Antragsteller befürchtet, dass sich muslimische Frauen womöglich auf andere Weise verschleiern könnten.

Das Thema ist den AfD-Parteigängern so wichtig, dass eine Verlängerung der Debatte um 30 Minuten beschlossen wird. Doch als der Antrag der Höcke-Sympathisanten auf ein Moscheeverbot an die Reihe kommt, schaltet sich Frauke Petry ein. Es gebe noch so viele andere gute Ideen, über die man noch reden müsse. Und plötzlich ist der Moscheenantrag abgewehrt. Und Petry bringt einen Eintrag ein, die Unterstützung der deutschen Orchesterlandschaft ins Programm zu schreiben. Die Vorsitzende hat die äußerst rechte Fraktion ihrer Rechtspartei vorerst aufgehalten. Einige Versuche, noch eine Kopftuchdebatte anzuzünden, versanden gleich wieder.

Und doch ist die Emotion noch nicht ganz aus der Stuttgarter Messehalle vertrieben. Denn im Kulturkapitel ist noch ein Thema offen: die GEZ (Rundfunkbeitrag). Auf einmal erwachen die Mitglieder wieder und liefern engagierte Plädoyers. Schließlich wird ein Antrag eingebracht, in dem vorgeschlagen wird, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Pay-TV umzustellen. „Öffentlicher Rundfunk ist gut“, sagt der Antragsteller, „aber wer ihn will, soll dafür bezahlen.“

Bürger sollen TV kontrollieren

Gleichzeitig wird darin gefordert, die Kontrolle durch die Politik solle abgeschafft werden und die Bürger sollten bestimmen. Ein Anliegen, das quasi zum genetischen Code der AfD gehört – die stellvertretende Vorsitzende, Beatrix von Storch, wurde sogar gepfändet, da sie sich weigerte, ihren Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Sie wird das Ergebnis gefreut haben – der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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