Graf fordert Volksabstimmung zur Rückkehr Südtirols

Der Dritte FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf
Der Dritte FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Der Dritte FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf will sich nicht damit abfinden, dass Südtirol zu Italien gehört. Das Selbstbestimmungsrecht müsse auch für die "deutsche Bevölkerung" Europas gelten.

Wie österreichisch ist das heutige Südtirol für Sie?

Martin Graf: Südtirol ist Teil des gesamten Tirol. Das ist der wichtigste Identifikationspunkt. Südtirol hat eine deutsche Mehrheitsbevölkerung, die auch so bezeichnet wird. Und Südtirol ist derzeit italienisches Territorium.

Derzeit? Klingt, als würden Sie davon ausgehen, dass Südtirol wieder zu Österreich kommen wird.

Ich glaube nach wie vor fest an das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Den Südtirolern wird seit dem Zuschlag an Italien nach dem Ersten Weltkrieg das Selbstbestimmungsrecht vorenthalten.

Es gibt eine weitgehende Autonomie.

Die Frage der Autonomie ist eine zweite Frage. Dass es besser ist, eine Autonomie zu haben, als keine Autonomie, ist ohne Zweifel richtig. Aber genauso richtig ist, dass es eine legitime politische Forderung ist, dass man die Einheit Tirols auch politisch fordern kann.

Selbst im Andreas-Hofer-Gedenkjahr spielt diese Forderung aber offenbar keine Rolle mehr: 2009 scheint es politische Realität zu sein, dass Südtirol nicht mehr zu Österreich gehört und auch nie wieder gehören wird.

Im Frühjahr 1989 hat man das Gleiche über die DDR gesagt. Es ist alles eine Frage der politischen Rahmenbedingungen. Manche Fragen kommen in den Fokus der Berichterstattung und der öffentlichen Wahrnehmung, dann wird wieder eher weniger berichtet. Es gibt noch sehr, sehr viele Tiroler, sowohl im Süden als auch im Norden, die dafür politisch eintreten. Aber das weiß man so lange nicht, solange man die Bevölkerung nicht fragt. Und welche Frage stellt man...

...welche Frage sollte man stellen?

Die Frage ist, ob es ein Tirol geben soll.

Aber die DDR war eine Diktatur und Italien ist eine Demokratie. Das ist doch ein gewaltiger Unterschied.

Es ist richtig, dass es da unterschiedliche Herangehensweisen gab. Aber wenn wir uns die Geschichte Südtirols anschauen, dann merke ich wenig Unterschied zwischen dem Verhalten des demokratischen Italien gegenüber der deutschen Bevölkerung in Südtirol und dem in durchaus nichtdemokratischen Staaten. Das hat sich mit dem Autonomiepaket verbessert, diese Vorgehensweise Italiens gegenüber der Bevölkerung. Aber es gibt bis heute Konfliktstoff. Nach wie vor stehen faschistische Denkmäler dort und werden von der Staatsgewalt saniert. Und das ist schon eine Frage, ob eine Demokratie des 21. Jahrhunderts, die sich selbst als Demokratie bezeichnet, faschistische Symbole aufrechterhält.

Sie fordern eine Volksabstimmung, respektieren Sie als offiziell vierter Mann im Staat eigentlich die Grenze?

(Lacht leise.) Ich bin für das gewaltlose Selbstbestimmungsrecht der Völker. Wenn sich dadurch Grenzverschiebungen ergeben, weil es die Bevölkerung will, dann sehe ich in Zeiten wie diesen keine Veranlassung, dem nicht nachzukommen. Das Gleiche haben wir im auseinanderbrechenden Jugoslawien gehabt. Und die Rechte, die Slowenien, Kroatien und andere Völker hatten, warum enthält man das den Südtirolern vor? Diese Frage muss man sich stellen. Es sei denn, man ist politisch davon beseelt, dass Völkerrecht für alle Völker gilt, mit Ausnahme der Deutschen. Das ist dann eine andere politische Diskussion, die man führen muss.

...wo gilt denn das Völkerrecht sonst nicht?

Generell. Ich lebe unter dem Eindruck, dass man der deutschen Bevölkerung in Europa aus politischen Überlegungen heraus weniger Rechte zugestehen möchte als anderen Völkern.

Wird zu wenig für Südtirol vonseiten Österreichs getan?

Die Stellung Österreichs als Schutzmacht der deutschen Mehrheitsbevölkerung in Südtirol sollte man ausbauen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir hier im Parlament nicht nur einen Unterausschuss für Südtirol führen, sondern einen ordentlichen Südtirol-Ausschuss einrichten. Das macht Sinn und verschafft den Ansuchen auf Begnadigung der in Italien in Abwesenheit zu „lebenslänglich“ verurteilten Südtirol-Aktivisten mehr Gewicht. Das sind atmosphärische Dinge, die auch erledigt gehören, wenn man eine Geschichte abarbeiten möchte, die für niemanden ruhmreich war. Gerade in einem zusammenwachsenden Europa sind Staatsgrenzen – das hören wir auch immer von politischen Mitbewerbern – nicht mehr so wichtig.

Dann muss Südtirol doch nicht zu Österreich.

Es gibt kein geteiltes Recht, es gibt nur ungeteiltes Recht. Das Recht, das ich dem einen zugestehe, muss ich dem anderen auch zugestehen. Das Argument, dass in einem zusammenwachsenden Europa Staatsgrenzen immer unwichtiger sind, heißt auch, dass es nicht mehr so schwierig sein kann, eine Selbstbestimmungsfrage zuzulassen. Wenn es anders ausgeht, hat man das als Demokrat zur Kenntnis zu nehmen. Egal, wie es am Ende ausgeht. Das werden die Südtiroler zu entscheiden haben.

Orten Sie irgendwo Unterstützung für Ihren Vorstoß?

Wir sehen, dass es eine wiederum wachsende Bevölkerungsschicht gibt, die der Idee der Einheit Tirols nähertritt.

Aber den Südtirolern geht es wirtschaftlich sehr gut, das wissen Sie?

In vielen Ländern und Regimen, Demokratien oder auch Diktaturen, geht es immer einem Teil sehr gut, das heißt aber nicht, dass man Grundsätze über Bord werfen soll.

Was ich meinte, war, dass gerade das Autonomiemodell dem Land wirtschaftliche Vorteile bringt.

Ich glaube, dass es den Südtirolern deswegen gut geht in Italien, weil die Südtiroler ein sehr fleißiges Volk sind. Ganz gleich, welchem Staatsverband sie zugehörig sind. Das ist ein Verdienst dieser Bevölkerung und nicht das Verdienst von Vereinbarungen eines Staates. Es geht auch den Nordtirolern, auch im Verhältnis zu vielen anderen Regionen in Österreich, viel besser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2009)

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