"Game of Thrones" Staffel sechs, Folge zwei

Meera Reed im Schnee.
Meera Reed im Schnee.(c) HBO
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Die Serienmacher setzen in "Home" ziemlich nahtlos mit dem aktuell wichtigsten Handlungsstrang fort. Und Ramsay Bolton offenbart weitere Abgründe seiner kranken Psyche.

Spoiler-Warnung: In diesem Episodenblog wird die Handlung der jeweils beschriebenen "Game of Thrones"-Folge verraten.

Ja hätte es denn noch offensichtlicher sein können? Schon in der Vorwoche war klar, dass Jon Snows lebloser Körper nicht einfach umsonst so auf dem Tisch liegt. Aber ich greife vor.

Folge zwei der sechsten Staffel "Game of Thrones" bringt uns zu alten Bekannten, die eine ganze Staffel Pause hatten: Bran Stark, Meera Reed und Hodor, die weit nördlich der "Wall" beim weisen Einsiedler Max von Sydow Unterschlupf gefunden haben. Bran, dessen Darsteller Isaac Hempstead Wright einen ordentlichen Wachstumsschub hingelegt hat, übt sich weiterhin, die Welt mit seinem Geist zu erkunden und streift sogar in die Vergangenheit. Eine kleine Idylle erwartet ihn, als er seinen Vater und dessen Geschwister in einem noch nicht von den Boltons eroberten Winterfell beobachtet. Einen ersten Auftritt macht auch Lyanna Stark hoch zu Ross. Wir werden diese Staffel wohl noch einiges über sie erfahren, dieser Rückblick hat den Grundstein dafür gelegt. Der Zuseher lernt auch, dass Hodor eigentlich Wylis heißt und früher sogar sprechen konnte. Das ist eine kleine Abweichung von den Büchern, wo der Name des Stallburschen eigentlich mit Walder angegeben wird (Band eins, "A Game of Thrones"). Meera Reed trauert immer noch um ihren verstorbenen Bruder Jojen und fühlt sich offenbar nutzlos. Aber eine der "Children of the Forest" deutet an, dass ihre eigentliche Aufgabe noch kommen wird.

Wir bewegen uns weiter südlich, zurück nach Castle Black. Der heimtückische Ser Alliser Thorne will zu den Jon-Snow-Loyalisten durchbrechen, aber genau in diesem Moment greifen die Serienmacher zu einem altbewährten Stilmittel: Deus ex machina - oder eher Gigans ex machina. Dolorous Edd kommt mit den Wildlings zur Rettung, die Jon Snow aus Hardhome und noch weiter jenseits der Wall vor den White Walkern gerettet hat. Mit dabei auch ein Riese, der nicht nur mit dem Burgtor, sondern auch mit einem übereifrigen Armbrustschützen kurzen Prozess macht. Der Rest der Thorne-Getreuen ergibt sich recht anstandslos. Die Night's Watch hat auch schon einmal bessere Figur gemacht.

Mit dem Kopf gegen die Wand

Die Szenerie ändert sich schlagartig, denn die Folge wechselt nun nach King's Landing. Ein großmäuliger Trunkenbold erzählt Räuberpistolen über Königin Cersei und wie sie angeblich von seinem Gemächt angetan war, das er ihr während ihres "Walk of Shame" entgegen gestreckt haben will. Sein Kopf macht wenig später endgültige Bekanntschaft mit einer soliden Steinmauer, ein Erlebnis spendiert vom Zombie-Mountain, Entschuldigung!, Ser Robert Strong. Offenbar hat Cersei noch ein paar Augen und Ohren in der Stadt, denn von allein wird der stumme Hühne wohl nicht aktiv geworden sein. Ihn dazu einzusetzen, sich bis zum Begräbnis ihrer Tochter Myrcella durchzukämpfen, wagt sie dann (sehr zur Erleichterung der Wachen) doch nicht. Dafür erleben wir eine Charakterentwicklung des kindlichen Königs Tommen. Er geniert sich für seine Feigheit, nicht gegen die dem religiösen Wahn verfallenen Glaubensbrüder aufzubegehren, obwohl seine Frau Margaery noch immer im Kerker schmachtet. Auf Onkel/Vater Jaimes Anraten bittet er Mutter Cersei endlich um Verzeihung für seine Inaktivität und um ihre Hilfe, mental stärker zu werden. Eine durchaus berührende Szene, in der Tommen seine Schwächen nicht dem frommen High Sparrow sondern seiner Mutter, einer "Sünderin", beichtet. Und vielleicht ein Wendepunkt in Cerseis Martyrium? Seit Ende von Staffel fünf war sie deutlich auf der Verliererseite.

Varys und Missandei in Meereen lauschen Tyrion Lannister.
Varys und Missandei in Meereen lauschen Tyrion Lannister.(c) HBO

Noch weiter südlich in Meereen erfahren wir, dass die von Daenerys eingesperrten Drachen das Essen verweigern. Tyrion sammelt all seinen Mut und beschließt, sie von ihren Ketten zu befreien. Ein Kindheitstraum wird wahr: Einmal hautnah mit einem Drachen sein. Interessanterweise stürmen die Drachen nicht sofort hinaus oder fallen ihn an, als er die wuchtigen Ketten von ihren Hälsern entfernt, sondern ziehen sich in die Dunkelheit zurück. Vielleicht haben sie jetzt ja doch Hunger? So ein Metallkragen engt die Speiseröhre eben ein.

Ein weiterer Charakter, der vor eine Herausforderung gestellt wird, ist Arya Stark. Nach einer weiteren Runde blinden Stockkampfes stellt Jaqen H'ghar sie auf die Probe. Wenn sie ihren echten Namen sagte, würde er ihr zu essen geben, ein Dach über dem Kopf und ihr Augenlicht zurück. Dreimal fragt er sie, dreimal antwortet sie mit "A girl has no name". Sie besteht offenbar den Test, denn ab sofort ist sie keine Bettlerin mehr. Ob sie bald wieder sehen wird? Wer weiß. Ihre Fähigkeit, blind zu kämpfen, lässt noch deutlich zu wünschen übrig.

Der neue Hassmagnet der Serie

Nun wird es ziemlich widerwärtig, denn Ramsay Bolton kommt wieder ins Spiel. Er sorgt in dieser Folge gleich für zwei Schock-Momente. Einerseits ermordet er mir nichts, dir nichts seinen Vater Roose Bolton (dessen eiskaltes Kalkül und trockene Retourkutschen ich zumindest vermissen werde) und lässt sich nun "Lord Bolton" nennen. Andererseits lässt er seine Stiefmutter Walda zusammen mit ihrem Neugeborenen von seinen Hunden zerfleischen. Konkurrenz wird nicht toleriert. War Joffrey Baratheon bis zu seinem Ableben der Hassmagnet der Serie, so hat es spätestens jetzt Ramsay endgültig geschafft, diesen Titel mit Leichtigkeit an sich zu reißen. Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was das, was er anderen Charakteren (und auch den Zusehern) angetan hat, wieder gutmachen könnte.

In der eisigen Wildnis erfährt Sansa von Brienne, dass ihre Schwester Arya lebt und zumindest vor ein paar Wochen/Monaten noch wohlauf war. Das Ziel der kleinen Truppe: Castle Black und Sansas Halbbruder Jon Snow. Aber Theon Greyjoy, der seine Sünden gegenüber den Starks als nicht abbüßbar sieht, zieht es heim auf die Iron Isles, nach Pyke.

Dort zieht es auch die Folge hin, wo Machthaber Balon Greyjoy seiner Tochter Yara gerade die Leviten liest. Auf dem Weg hinaus trifft er auf einer umstürmten Hängebrücke (welcher halbwegs denkende Architekt plant solche Bauten?) seinen deutlich jüngeren Bruder Euron, der offenbar ein paar Schrauben locker hat und im Hause Greyjoy nun ebenfalls den Thronfolgeprozess in Gang bringt. Solche dünnen Brücken sind in einem Sturm eben nicht allzu sicher. Bei der Wasserbestattung von Balon Greyjoy lernen wir auch Aeron Greyjoy kennen (ohne dass er außer in den Credits namentlich erwähnt wird), den Hohepriester des "Drowned God", den die Bewohner der Iron Isles verehren. Yara will ihren Vater rächen, doch Aeron ermahnt sie, dass zuerst ein neuer König ernannt werden muss. Vielleicht wird es sie, vielleicht aber auch nicht. Euron wird da sicher noch etwas mitzureden haben.

Yara Greyjoy konfrontiert ihren Vater Balon.
Yara Greyjoy konfrontiert ihren Vater Balon.(c) HBO

Der Kreis schließt sich, denn nun kehren wir zurück nach Castle Black. Ser Davos Seaworth versucht eine niedergeschlagene Melisandre davon zu überzeugen, ihre Magie zu nutzen, um Jon Snow von den Toten zu erwecken. Sie gibt zu, dass es möglich sei, erinnert sich an die Begegnung mit Thoros of Myr und den durch ihn wiedererweckten Beric Donderrion. Melisandre zweifelt aber an ihren Fähigkeiten, sie scheint vom Glauben an den "Lord of Light" abgefallen zu sein. Davos ist das aber egal. Er glaubt zwar an keinen Gott, aber an die Wunder, die er Melisandre vollbringen gesehen hat. Sie fasst sich dann doch ein Herz und versucht, Jon Snow wieder ins Reich der Lebenden zu holen. Eine rituelle Waschung, einen Haarschnitt und ein paar mystische Worte später scheint es aber so, als hätte sie doch nicht die Macht, die ihr Davos zutraut. Der Zuseher bleibt allein mit Jon Snows fast nacktem Körper und seinem treuen Direwolf Ghost im Raum, während die Lebenden enttäuscht hinausgehen. Aber natürlich kommt es, wie es kommen musste: Jon Snow macht mit einem lauten Schnaufer die Augen wieder auf. Schnitt. Musik. Abspann.

Fazit

Ich fürchte, die Serienmacher tappen langsam in die Falle, dass sie ihre Checkliste abarbeiten müssen. "Bran Stark kam wieder vor?" Check. "Jon Snow lebt wieder?" Check. "Hatten wir die Greyjoys schon?" Check. "Dieses Mal waren wir nicht bei Daenerys und in Dorne, also muss das nächste Folge passieren." Check. Dadurch war die Folge leider etwas vorhersehbar. Die Serie offenbart auch ein grundlegendes Problem des Epos von George R.R. Martin: Das Erzählgeflecht ist mittlerweile so zerfasert, dass es schwierig ist, konzentrierte Handlungsstränge abzuarbeiten, geschweige denn ihnen zu folgen. Man kann den Machern aber nur dankbar sein, dass sie die Wiedererweckung von Jon Snow nicht um noch ein paar Folgen ausgedehnt haben. Sie hätten weiß Gott genug Material, um die Serie locker zu füllen.

Auffälliges

  • Es war eine Folge der "mutigen Schritte". Tyrion und die Drachen, Arya und Jaqen, Ramsay und sein Vater, Euron und Balon, Davos und Melisandre.
  • Was ist eigentlich Ser Davos' Motivation, Jon Snow wieder zu erwecken? Hab ich da was vergessen?
  • Die Boltons werden von den Karstarks unterstützt, erwähnt werden auch die Häuser Umber und Manderly. Letztere vermisse ich inständig, Wyman Manderly beschützt in den Büchern nämlich mit eiserner Loyalität Rickon Stark. Dessen Schicksal ist in der Serie komplett offen
  • Sansa war das Kind von Ned Stark, das Jon Snow am wenigsten mochte. Wird ausgerechnet sie diejenige, die sich als erste mit ihm verbündet?
  • Wo war Brans Direwolf Summer? Ging das CGI-Budget aus? Immerhin: Zwei Drachen, ein Riese und ein Direwolf mussten animiert werden.
  • Der Erzählstrang nahm fast einen Kreis von Norden nach Süden und wieder zurück. Dreh- und Angelpunkt ist (eigentlich schon seit einiger Zeit) Castle Black.
  • Lebt eigentlich noch einer der alten Lords? Bis auf den greisen Walder Frey ist nur noch die jüngere Generation am Werk

Zitate der Woche

  • Three Eyed Raven zu Bran Stark: "It is beautiful beneath the sea. But if you stay too long, you will drown."
  • High Sparrow zu Jaime Lannister: "Everyone of us is poor and powerless. And yet together we can overthrow an empire."
  • Tyrion Lannister auf die Frage nach seinem Wissen über Drachen: "That's what I do. I drink and I know things."
  • Tyrion Lannister zu einem Drachen: "I am here to help. Don't eat the help."
  • Roose Bolton über seine von Brienne besiegten Jäger: "I didn't think Lady Sansa killed them all by herself."
  • Ramsay Bolton zu seiner Stiefmutter und ihrem Neugeborenen: "I prefer being an only child."
  • Davos Seaworth zu Melisandre: "Seven Gods, Drowned Gods, Tree Gods, it's all the same."

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In eigener Sache: Nächste Woche ist Kollegin Heide Rampetzreiter wieder zurück aus dem Urlaub und wird den Episodenblog fortführen.

Redaktioneller Hinweis: Die aktuellen "Game of Thrones"-Folgen werden dem Autor vom Sender Sky zur Verfügung gestellt, der die Serie in Österreich zeigt.

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