Auch EU-Kommission hat Zweifel an TTIP

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Die US-Regierung bewege sich bisher zu wenig, wird ein hochrangiger Vertreter zitiert. Österreichs Regierung fürchtet um Verbraucherstandards.

In der Spitze der EU-Kommission gibt es nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag-Ausgabe) Zweifel, ob das TTIP-Abkommen überhaupt noch geschlossen werden kann. Die US-Regierung bewege sich bisher zu wenig, damit dieses Jahr ein Abschluss gelingen könne, sagte ein hochrangiger Vertreter dem Blatt. Nach der Pause, die durch die Wahlen in den USA, Frankreich und Deutschland bis Ende 2017 entstehe, werde eine Wiederbelebung der Verhandlungen schwierig.

Der französische Außenhandels-Staatssekretär Matthias Fekl hält den Stopp der TTIP-Verhandlungen mit den USA derzeit für die "wahrscheinlichste Option". Als Grund nannte Fekl dem Radiosender Europe 1 am Dienstag die derzeitige Haltung der USA in den Verhandlungen über das Freihandels- und Investitionsabkommen mit der EU. Im aktuellen Zustand werde Frankreich das Abkommen nicht unterzeichnen. Frankreich hatte bereits zuvor den Ton in der TTIP-Debatte verschärft und den Amerikanern mangelndes Entgegenkommen vorgeworfen.

Die USA reagieren unterdessen demonstrativ gelassen auf die Veröffentlichung bisher geheimer Dokumente aus den Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP. Der Sprecher des Weißen Hauses sagte, man sei darüber "nicht beunruhigt". Ein "materieller Einfluss" auf das Abkommen sei nicht zu erwarten.

Greenpeace hatte bisher unter Verschluss gehaltene TTIP-Dokumente ins Internet gestellt. Sie werfen den USA vor, im Interesse US-amerikanischer Konzerne europäische Umwelt- und Verbraucherschutzstandards aushöhlen zu wollen.

Berlin und Brüssel wiesen die Vorwürfe zurück, die US-Regierung sprach von irreführenden Interpretationen. Die deutsche Regierung wollte das umstrittene Handelsabkommen nicht infrage stellen. Deutschland und die USA wollen bis zum Jahresende zumindest TTIP-Eckpunkte festlegen, bevor Barack Obamas Amtszeit als US-Präsident endet.

In Washington wurde darauf verwiesen, es handle sich lediglich um einen Verhandlungsstand und nicht um Ergebnisse. Auch liege es in der Natur von Verhandlungen, verschiedene Positionen zu haben und sich im Laufe der Zeit anzunähern.

Die EU und die USA verhandeln seit Mitte 2013 über eine "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP). Ziel ist es, Zölle und andere Hürden für Investitionen abzubauen, damit der Handel zwischen den beiden Wirtschafts-Supermächten EU und USA mit 800 Millionen Verbrauchern stärker floriert. Europaweit gibt es Proteste gegen das Abkommen.

Faymann: "Große Skepsis bestätigt"

In Österreich wandten sich Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Montag gegen eine Aufweichung hoher Standards. "Meine große Skepsis gegenüber TTIP wurde durch die jüngst veröffentlichten Berichte bestätigt", erklärte Faymann in einer Aussendung. Diesem Handelsabkommen könne derzeit sicher nicht zugestimmt werden. "Eine Aufweichung unserer Standards kommt nicht infrage", unterstrich auch Mitterlehner. Es gebe rote Linien, die nicht überschritten werden dürften.

Umweltschutzorganisationen traten für einen Abbruch der Verhandlungen ein. Die Industriellenvereinigung plädierte hingegen für mehr Gelassenheit in der Diskussion um TTIP.

"Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR erhielten die Papiere von Greenpeace vor anderen Medien und werteten sie mit Greenpeace aus. Aus den Papieren gehe hervor, dass die USA Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie blockierten. Im Gegenzug solle die EU mehr US-Agrarprodukte abnehmen. Außerdem verweigere sich Washington Europas Wunsch, umstrittene private Schiedsgerichte für Konzernklagen durch öffentliche Gerichte zu ersetzen.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström erklärte, das Schutzniveau für Verbraucher, Lebensmittel oder die Umwelt in Europa werde nicht sinken. Ihre rechte Hand, TTIP-Unterhändler Ignacio Garcia Bercero, befürchtet negative Folgen der Veröffentlichung für die Verhandlungen. Obamas Handelsbeauftragter Michael Froman mahnte zur Sachlichkeit.

(APA)

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