„Islam-Kindergärten“: Immer mehr Vorwürfe

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Nach U-Haft-Verhängung für den Gründer eines privaten Kindergarten-Netzwerks in Wien, Abdullah P. (31), zeichnen sich die Dimensionen der Affäre immer deutlicher ab. Der Steuergeld-Schaden dürfte in die Millionen gehen.

Wien. Erpressung, Veruntreuung, Förderungsmissbrauch, gewerbsmäßiger Betrug, schwere (versuchte) Nötigung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Die Vorwürfe gegen den Gründer eines privaten Kindergarten-Netzwerks in Wien lesen sich wie ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch. Der Hauptverdächtige, Abdullah P. (31), sitzt, wie berichtet, seit Samstag in U-Haft – ebenso eine enge Mitarbeiterin von ihm.

Der dringende Verdacht besteht grob gesagt darin, dass P. Fördergelder der Stadt Wien widmungswidrig verwendet haben soll. Auch soll er anderen privaten Kindergartenbetreibern, die in der türkischen Community Wiens angesiedelt sind, beim Stellen der Förderanträge geholfen und dabei „Provisionen“ – sprich: Teile der Fördergelder – eingefordert haben. P. selbst bestreitet gemäß polizeilichen Protokollen, die der „Presse“ vorliegen, sämtliche Vorwürfe. Bei einzelnen Anschuldigungen hat er zuletzt den Verdacht auf frühere Mitarbeiter gelenkt. Für P. und alle anderen Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.

Allein der von P. betriebene Kindergarten Kibiz wurde von Mai 2013 bis Mai 2015 von der Magistratsabteilung 10 (Wiener Kindergärten) mit einer Förderung von 1,8 Millionen Euro für acht Gruppen mit je 20 bis 25 Kindern ausgestattet. Ermittler meinen, dass weniger Kinder betreut worden sein könnten als angegeben.

Außer dem Kindergarten Kibiz waren an der Adresse des Hauptquartiers von P., in der Romanogasse in Wien Brigittenau, eine Familienberatungsstelle und der Erwachsenenbildungsverein Erbiz untergebracht. Eine islamische Volksschule an dieser Adresse, die einen hohen Anteil an tschetschenischen Kindern verzeichnet hat, ist im Jänner 2015 vom Stadtschulrat geschlossen worden.

„Schaden nicht abzuschätzen“

Das Beunruhigende an der Affäre, die eine politische Diskussion um „Islam-Kindergärten“ ausgelöst hat: Nicht einmal die Stadt Wien selbst weiß, wie hoch der Schaden für die Steuerzahler ist. In einer Sachverhaltsdarstellung der Stadt an die Staatsanwaltschaft heißt es: „Der tatsächliche Schaden, welcher der MA 10 verursacht wurde, kann mangels vollständiger Information und der äußerst verworrenen Struktur der gesamten Organisation auch nicht annähernd abgeschätzt werden.“

Aber nicht nur die Stadt Wien, die nach Meinung der Opposition viel zu lasche Kontrollen innerhalb der privaten Kindergärten durchgeführt hat, scheint als Fördergeber auf. Wie aus der Beantwortung einer unter anderem auf „Presse“-Recherchen gestützten parlamentarischen Anfrage der FPÖ hervorgeht, hat auch das Sozialministerium zwischen 2012 und 2015 Fördergelder an den Verein Erbiz direkt überwiesen: 84.680 Euro. Dass dieses Geld missbräuchlich verwendet wurde, wird aber im Ressort von Alois Stöger (SPÖ) nicht behauptet.

Die nun relativ spät verhängte U-Haft begründet die Staatsanwaltschaft Wien damit, dass der Verdacht bestehe, P. habe während der Ermittlungen weitere Straftaten begangen.

Wiens VP-Landesparteiobmann Gernot Blümel meint angesichts der Entwicklung: „Die Causa rund um Abdullah P. und islamische Kindergärten, in denen Parallelgesellschaften existieren, muss Wiens Stadtregierung endlich zu konkreten Schritten veranlassen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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