Iran: Rätselhafter Tod im Foltergefängnis

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Die offiziellen Opferzahlen nach den Unruhen dürften stark untertrieben sein. Im Machtkampf brechen derweil hinter den Kulissen immer mehr Fronten auf.

Istanbul/Teheran. Die Nachricht vom Tod Mohsen Ruholaminis in Teherans berüchtigtem Evin-Gefängnis schlug im Iran ein wie eine Bombe: Ruholamini ist der Sohn des Leiters des Teheraner Pasteur-Instituts. Und der wiederum ist ein enger Vertrauter des bei der umstrittenen Wahl am 12. Juni unterlegenen konservativen Präsidentschaftskandidaten Mohsen Rezaie. Der ehemalige Oberkommandierende der Revolutionsgarde hatte die Wahl ebenfalls anfangs heftig kritisiert, sich dann aber zurückgehalten.

Ruholamini wurde am 9.Juli während einer Demonstration festgenommen. Seine Familie erhielt erst die Nachricht, er werde freigelassen, dann die Nachricht von seinem Tod. Über die Umstände des Todes ist nichts bekannt. Das Evin-Gefängnis ist berüchtigt. Erbaut wurde es in der Schah-Zeit. Viele spätere Führer der Islamischen Revolution kennen es aus eigener Erfahrung von innen. Trotzdem wurde es nahtlos übernommen und angeblich noch ausgebaut. Ein Teil der Zellen liegt unter der Erde.

Ehemalige Häftlinge berichten vor allem von psychologischer Folter wie Scheinerschießungen, Schlafentzug, monatelangem Aufenthalt in weißen, schallgedämpften Räumen bei ständigem Licht und ähnlichen Foltermethoden. Es ist unklar, wie viele Iraner rund um die Demonstration umgekommen sind. Die offiziellen Angaben von rund 20 Toten können aber kaum stimmen.

Kaution für einen Toten

Amnesty International machte etwa den Fall von Parvin Fahimi öffentlich. Sie war fast einen Monat auf der Suche nach ihrem 19-jährigen Sohn Sohrab Arabi, der drei Tage nach der Wahl von einer Demonstration nicht zurückgekommen war. Schließlich bestellte ein Gericht Parvin Fahimi ein, um eine Kaution für die Freilassung ihres Sohnes zu hinterlegen. Doch auf dem Gericht zeigte man ihr nur eine Mappe mit Bildern von 50 bis 60 Toten. Darunter auch ihr Sohn, durch einen Schuss in die Brust getötet.

Während der Disput über die Wahl in keiner Weise gelöst ist, geht das Hauen und Stechen in den Reihen der politischen Elite des Landes kreuz und quer weiter: Fünfzig der 88 Mitglieder des Expertenrates, der das Recht hat, den religiösen Führer zu ernennen und zu kontrollieren – und auch zu entmachten –, haben den ehemaligen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani aufgefordert, mehr Loyalität zum religiösen Führer Ali Khamenei zu zeigen. Das ist insofern pikant, als Rafsanjani dem Gremium ja vorsitzt und versucht hat, dort eine Mehrheit gegen Khamenei zu organisieren. Rafsanjani hatte in der vorletzten Freitagspredigt sogar indirekt heftige Kritik an Khamenei geäußert.

Gehorsamsverweigerung

Doch Rafsanjani steht mit seinen Loyalitätsproblemen nicht alleine: Präsident Mahmoud Ahmadinejad trotzte tagelang einer Aufforderung Khameneis, seinen gerade erst ernannten Ersten Stellvertreter wieder zu entlassen. Der ist mit Ahmadinejad verschwägert, hatte aber den Zorn der Konservativen unter anderem durch eine freundliche Bemerkung zu Israel auf sich gezogen. Khamenei schrieb an Ahmadinejad einen Brief mit der Aufforderung, den Vize zu entlassen. Nichts geschah. Darauf forderte der Khamenei nahestehende Ayatollah Ahmad Khatami bei der landesweit übertragenen Freitagspredigt Ahmadinejad auf, Gehorsam zu zeigen. Ein bemerkenswerter Vorgang. Der Vize trat daraufhin von sich aus zurück.

Doch indem Ahmadinejad einfach nicht reagiert hat, hat er die unbedingte Autorität des religiösen Führers – und damit das Rückgrat der islamischen Verfassung – ebenfalls untergraben. Khamenei mag es bisher nicht bemerkt haben, aber es sind nicht nur liberale Kräfte, die einen anderen Staat wollen: Das Lager Ahmadinejads strebt ebenfalls nach mehr Macht, als es nach der Verfassung haben kann – denn laut jener liegt die Macht beim religiösen Führer.

AUF EINEN BLICK

Bei der Präsidentschaftswahl im Iran gewann am 12. Juni laut offiziellen Angaben Amtsinhaber Ahmadinejad. Die Opposition erkennt das nicht an und spricht von massiver Fälschung. Polizei und Milizen gingen brutal gegen Demonstranten vor, Tausende wurden verhaftet. Die tatsächliche Zahl der Toten ist nicht bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2009)

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