Martin Grafs Vorstoß für eine Volksabstimmung über die Rückkehr Südtirols zu Österreich ist überflüssig, aber kein Rücktrittsgrund.
Der Dritte Nationalratspräsident hat schon schlimmere Aussagen getroffen als jene in der „Presse am Sonntag". Dort sprach sich Martin Graf für eine Volksabstimmung über die Rückkehr Südtirols zu Österreich aus. Der Vorstoß ist überflüssig und könnte nach Meinung vieler Südtirol-Kenner nur zu einem Abstimmungsdebakel führen. Einen Rücktrittsgrund, wie er sogleich links und rechts gesehen wurde, hat Graf aber nicht gesetzt.
Keine Frage: Der FPÖ-Mann, der einst meinte, dass sich viele fragen würden, ob Kultusgemeinde-Präsident Ariel Muzicant nicht Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus genannt werden sollte, hat wieder seine nationalistischen Freunde bedient. Doch seine Berufung auf das nebulose Selbstbestimmungsrecht ist in ihrer Abstraktheit ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände müßig. Graf müsste wissen, dass Selbstbestimmung immer eine Machtfrage ist. Das war auch vor 90 Jahren so, als Österreich Südtirol an Italien abtreten musste.
Den Südtirolern geht es heute in Italien nicht schlecht. Sie haben ihre innere Selbstbestimmung, dank Autonomiepaket haben sie finanziell ausgesorgt. Tirols Landeshauptmann Günther Platter würde sich die Hände reiben, hätte er ein Budget wie sein Südtiroler Kollege Luis Durnwalder. Deshalb eine Volksabstimmung über einen Zusammenschluss mit Südtirol zu fordern wäre auch nicht viel absurder als Grafs Eintreten für eine Südtiroler Sezession. Aber ähnlich harmlos.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2009)