Am 20. September wählt Vorarlberg einen neuen Landtag. Es geht um die Frage, ob Herbert Sausgruber die absolute ÖVP-Mehrheit verteidigen kann.
BREGENZ. Der Bregenzerwald, eine schmucke Region im Norden Vorarlbergs, ist nicht bloß für Landwirtschaft, Holzverarbeitung und seinen Tourismus bekannt, sondern auch für eine Bevölkerung, die sich relativ einig ist in ihrem politischen Selbstverständnis: Die Bürgermeister in den 22Gemeinden kommen durchwegs aus dem Lager der Volkspartei. Und sie seien, so heißt es, nachgerade enttäuscht, wenn ihr Gemeinderatswahlergebnis einmal unter 80 Prozent liegt.
Vereinzelt erhaschen bei überregionalen Wahlen auch die anderen Parteien Stimmen, doch so etwas wie eine Ortsorganisation der SPÖ gibt es im Bregenzerwald erst gar nicht. Als der Bezauer Martin Meusburger, Jahrgang 1974 und Berufsmusiker bei der Band Alpenstarkstrom, seiner Familie eröffnete, dass er bei der Landtagswahl am 20. September für die SPÖ kandidieren werde, soll das nicht eben Begeisterungsstürme ausgelöst haben. „Seine Oma hat ein Jahr lang nichts mit ihm geredet“, erzählt der Vorarlberger SPÖ-Chef Michael Ritsch, redlich bemüht, sein verschmitztes Lächeln zu verbergen.
SPÖ, FPÖ, Grüne um Platz zwei
Es sind die Geschichten aus dem Bregenzerwald, die am besten illustrieren, wie die Macht im westlichsten Bundesland Österreichs verteilt ist: In der Zweiten Republik gab es überhaupt nur eine Zeitspanne, nämlich von 1999 bis 2004, in der die ÖVP nicht mit absoluter Mandatsmehrheit regierte. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren profitierte Landeshauptmann Herbert Sausgruber vom bundesweiten Selbstzerfleischungsakt der FPÖ und eroberte die Absolute zurück. Die in Vorarlberg traditionell starken Freiheitlichen verloren mehr als die Hälfte ihrer Stimmen und damit auch Platz zwei an die SPÖ.
Doch die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die Ausgangspositionen. Die FPÖ ist mittlerweile mehr als rehabilitiert. Umfragen bescheinigen nicht nur ihr Zugewinne, sondern – entgegen dem Bundestrend – auch den Grünen. Die SPÖ, im Ländle ohnehin nie wirklich stark verwurzelt, dürfte – wenn überhaupt – weit weniger verlieren als zuletzt auf allen Ebenen. Das BZÖ wiederum ist mit einem Ex-Kickboxer namens Wolfgang Maurer an der Spitze guter Dinge, beim Debüt gleich die Landtagshürde von fünf Prozent zu nehmen. Und die Liste Gsiberger.eu, ein Bündnis aus Bürgerrechtlern, Migranten, Homosexuellen und der KPÖ, ist es genauso, wenn auch mit weniger glorreichen Aussichten.
Der Landeshauptmann muss angesichts dessen um seine Vormachtstellung zittern. Die ÖVP liegt derzeit konstant unter der 50- Prozent-Marke, was den Wahlkampf auf die entscheidende Frage hinauslaufen lässt, ob Sausgruber die absolute Mehrheit verteidigen kann. Das zu verhindern ist gleichsam das Ziel seiner Herausforderer. „Alle gegen einen“, so lautet das Motto dieser politischen Treibjagd, die die FPÖ vor Kurzem mit folgendem Satz eröffnete: „Wir wollen den schwarzen Bären erlegen.“
Arbeitslosigkeit und Migration
Doch der Bär ist auch ein Fuchs, ein taktisch gewiefter Routinier, dem es jedenfalls nicht zu schaden scheint, wenn er als biederer Verwalter abgekanzelt wird. Sausgruber weiß, dass er hohe Beliebtheitswerte genießt, und zwar bis hinaus nach Wien, der bevölkerungsmäßig zweitgrößten Stadt Vorarlbergs. Er spielt jetzt das Spiel des Trotzigen, er sagt: Ich stehe für den Vorarlberger Weg, und wenn ich keinen klaren Auftrag mehr bekomme, also die Absolute, dann bin ich weg.
Die Wirtschaftskrise kommt ihm dabei zugute, denn die Menschen neigen zu politischer Konstanz, wenn die Zeiten schlechter werden. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 6,9 Prozent über dem Bundesschnitt (6,3 Prozent), weil die exportabhängige Wirtschaft im Ländle besonders leidet. Ende Juni waren 10.539 Personen arbeitslos gemeldet, das sind um 44,2 Prozent mehr als im Vorjahrsvergleichsmonat.
Die Landesregierung, bestehend aus der ÖVP und dem sozusagen geduldeten FPÖ-Landesrat Dieter Egger, reagierte und gab krisengebeutelten jungen Menschen eine Jobgarantie, derer sie sich nun, im Wahlkampf, zu rühmen versucht: Wer zwischen 15 und 25 Jahre alt sei und drei Monate lang keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz finde, dem besorge das Land innerhalb weiterer drei Monate einen.
Auch sonst deckt Sausgruber die verschiedenen Flanken jedenfalls nicht ungeschickt ab: Der SPÖ, die sich als „soziale Kraft“ im Land zu positionieren versucht, hält er Predigten über Solidarität in der Altenpflege und im Bereich der Kinderbetreuung entgegen. Die Grünen erinnert er an einen einstimmigen Landtagsbeschluss, wonach Vorarlberg bis 2015 energieautonom werden soll. Und den Freiheitlichen, die in altbekannter Manier die Migranten ins Visier nehmen (im Anteil im Ländle beträgt 21Prozent), lässt er rechts von der ÖVP kaum Platz, indem er öffentlich zur alternativlosen Integration auffordert.
Das Duell der Kronprinzen
Eher ungelegen kam Sausgruber zuletzt eine Art Kronprinzenduell, weil gemeinhin angenommen wird, dass der Landeschef Mitte der Legislaturperiode an seinen Vize Markus Wallner, 42, übergibt. Es sind die Geister, die Sausgruber selbst rief, als er den noch relativ jungen Landesstatthalter vor zweieinhalb Jahren zu seinem Nachfolger ernannte. Das soll nicht jedem in der Partei zur Freude gereicht haben, vor allem nicht dem Wirtschaftsbund, der seinerseits nun Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser in Position zu bringen versucht.
Ein amtsmüder Landeshauptmann mitten im Wahlkampf? Die Opposition rieb sich sattsam die Hände, und Sausgruber sah sich plötzlich zu einem öffentlichen Dementi gezwungen: Er habe nie etwas anderes gesagt, als dass er die ganze Periode bis 2014 bleiben wolle, so es ihm die Gesundheit erlaube, grantelte die ergraute Eminenz.
Die Bewohner des Bregenzerwaldes dürfte selbst eine etwas verworrene Debatte wie diese nicht weiter stören. Ob der Landeshauptmann Sausgruber, Wallner oder Rüdisser heißt, ist eher zweitrangig, sie halten der Volkspartei nämlich eisern die Treue: Bei der Landtagswahl 2004 wählten zwei Drittel schwarz.
ÖVP. Herbert Sausgruber, 63 Jahre, promovierter Jurist, ist seit 1986 Landesparteiobmann der ÖVP und seit 1997 Landeshauptmann. Im Wahlkampf propagiert er seinen „Vorarlberger Weg“, der vor allem Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise und Sozialleistungen für Familien beinhaltet. Wahlziel: die absolute Mandatsmehrheit verteidigen.
SPÖ. Michael Ritsch, 41, Parteichef und Klubobmann, führt die SPÖ mit dem Slogan „Vorarlbergs soziale Kraft“ in die Wahl. Er will einen Vorarlberg-Fonds aus der Taufe heben und damit Familien unterstützen, die an den Folgen der Krise leiden. Das Ziel: zweitstärkste Partei bleiben. In den Umfragen liegt die SPÖ bei 14Prozent (2004: 16,9Prozent).
Liste Gsiberger. Bernhard Amann, 55, linksalternativer Sozialarbeiter, steht an der Spitze eines Bündnisses, das sich aus Bürgerrechtlern, Migranten, Homosexuellen und der KPÖ zusammensetzt. Dementsprechend breit ist auch die Themenpalette. Erklärtes Wahlziel ist der Landtagseinzug. Doch die Chancen werden als eher gering bezeichnet. [Fabry (6)]
BZÖ. Wolfgang Maurer, 44, gebürtiger Steirer, Ex-Kickboxer und Besitzer von zwei Fitnessstudios, wurde einst aus der FPÖ ausgeschlossen, später pardoniert, um dann doch zum BZÖ zu wechseln. Die Kampagne ist, ähnlich der FPÖ, auf die Themen Sicherheit und Integration zentriert. Das Ziel ist der Einzug in den Landtag. Es könnte knapp werden.
Grüne. Johannes Rauch, 50, Klubobmann und Landessprecher, will ein fünftes Mandat dazu gewinnen und die FPÖ als Regierungspartner der ÖVP ablösen. Er fordert einen wirtschaftlichen Strukturwandel hin zum Energiebereich, wodurch in den ersten fünf Jahren 5000 Jobs entstehen sollen. Laut Umfragen dürften die Grünen leicht gewinnen.
FPÖ. Dieter Egger, 40, ist der einzige Nicht-ÖVP-Landesrat in der Regierung. Die FPÖ-Kampagne mit dem Titel „Mehr Heimat, mehr Freiheit, mehr Sicherheit“ widmet sich dem Migrationsthema, der Raumplanung und der Kriminalitätsbekämpfung. Umfragen bescheinigen ihr satte Zugewinne (vier Prozent plus), sodass sie Platz zwei zurückerobern könnte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2009)