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Nachrichten Meinung Magazin
Werner Faymann

Faymann: Ein Überlebenskünstler tritt doch noch zurück

Sein Ruf als politischer Überlebenskünstler war durch mehrere Krisen gewachsen, doch der Druck ist zu groß geworden.
09.05.2016 um 13:47
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Hauptbild • (c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)

Und er ist doch zurückgetreten. Sein Ruf als politischer Überlebenskünstler war durch mehrere Krisen gewachsen, doch der Druck ist zu groß geworden. Von der Wahlschlappe des roten Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer und einem Richtungsstreit der SPÖ samt Pfeifkonzert am 1. Mai angeschlagen, konnte sich der SPÖ-Chef nicht mehr länger an der Spitze von Partei und Regierung halten.

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Besonders beliebt war der Kanzler genau genommen nie. Schon in der Kommunalpolitik, die ihn als langjährigen Wohnbau-Stadtrat groß machte, hatte der vormalige Chef der Sozialistischen Jugend Wien nur ein Grüpplein an Vertrauten, auch in den Boulevard-Medien, mit deren Hilfe er nach oben kletterte. Das hat sich seit Faymanns Ankunft im Bund nicht geändert. Nur jene, denen er bedingungslos vertraut und dabei an erster Stelle Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Nationalratspräsidentin Doris Bures, dürfen mitreden. Kritische Geister sind in Faymanns Umfeld nicht erwünscht sondern allenfalls, wenn nicht zu vermeiden, geduldet.

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Dass er sich dennoch zwölf Jahre in der Wiener Stadtregierung hielt und seit einem Jahrzehnt in der Bundesregierung verweilt, hat mit des Kanzlers taktischem Geschick zu tun. Im persönlichen Umgang ist er stets freundlich und aufmerksam, eckt möglichst nirgendwo an und ging so über viele Jahre als kleinster gemeinsamer Nenner durch. Dazu kam, dass die SPÖ zwar unter seinem Vorsitz Wahlniederlage an Wahlniederlage reihte, doch gelang es ihm dort, wo er selbst antrat, nämlich bei den Nationalratswahlen, Platz eins und in Folge die Kanzlerschaft zu retten.

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Damit lieferte der gerade 56 Jahre alt gewordene Wiener nie einen unmittelbaren Anlass, ihn aus dem Amt zu jagen. Dass er nicht Parteichef der Herzen ist, machte die Basis anderweitig klar. Seine letzten beiden Parteitagsergebnisse waren mit 83 bzw. 84 Prozent alles andere als berauschend.

Dies hängt ein wenig auch damit zusammen, dass Faymann kein großer einnehmender Redner ist. Schlechte Stimmung mit berauschenden Parteitagsansprachen aufzuhellen ist seine Gabe nicht. Auch gibt es inhaltlich keinen Kurs, den man Faymann wirklich zuschreiben würde. Vielmehr fährt er seit jeher jene Agenda, die parteitaktisch gerade opportun zu sein scheint. Vor allem das Wort der Gewerkschaft, ohne die in der SPÖ bis heute wenig geht, findet bei Faymann so gut wie immer Gehör.

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Am 4. Mai 1960 in Wien geboren, begann Faymanns politische Karriere schon kurz nach der Matura. Mit 21 erklomm er die Spitze der Wiener Sozialistischen Jugend. Mit gerade einmal 28 war er Geschäftsführer der Wiener Mietervereinigung, einer Machtbastion in der Bundeshauptstadt.

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Über ein Gemeinderatsmandat schaffte er es in die Stadtregierung, wo er von 1994 an über ein Jahrzehnt den Wohnbau verantwortete, ein Ressort mit bekannt großem Inseraten-Budget. Der Boulevard lernte Faymann rasch schätzen, und die Sympathie war eine gegenseitige.

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)

Zumindest der Legende nach hatte Faymann eigentlich nie vor, im Kanzleramt einzuziehen. Das Rathaus wäre demnach der Zielort gewesen, doch bewies Michael Häupl dort ordentliches Sitzfleisch. Faymann nahm also das Angebot seines langjährigen Weggefährten Alfred Gusenbauer (Bild) an, 2006 als Infrastrukturminister und Regierungskoordinator in die Bundesregierung zu wechseln. Der Rest ist jüngere Zeitgeschichte: Gusenbauer demontierte sich selbst, Faymann half ein wenig mit, hatte die wenigsten Feinde und auch nicht allzu viel falsch gemacht, was ihn als Nachfolger qualifizierte.

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Bei der Nationalratswahl 2008 ging es zwar bergab, jedoch nicht so weit nach unten wie bei der ÖVP. Damit ging sich eine erneute Kanzlerschaft für die SPÖ und damit für Faymann aus.

Im Wahlkampf 2013 präsentierte sich Faymann als Kapitän, der Österreich mit ruhiger Hand durch stürmische Zeiten lotst. Doch schon damals geriet er in unruhiges Fahrwasser: Mit rund 27 Prozent musste seine Partei ein Minus hinnehmen, blieb aber auf Platz eins, konnte sich mit der ÖVP einigen und als Kanzler in eine zweite Amtszeit gehen.

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Seine Flexibilität bewies der Kanzler erst jüngst in der Flüchtlingsfrage. Ließ er sich zu Anfang des Stroms im September noch bei einem kleinen Parteitag als "Kommandozentrale der Menschlichkeit" feiern und bildete eine Allianz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, ist er seit jüngerem zum strengen Kontrollor und Gegner der Berliner Politik der offenen Grenzen mutiert. Zwar ist diese Position nun eine, die dem Großteil der Bevölkerung und auch der eigenen Partei gar nicht schlecht gefällt, doch brachte sie ihm beim Mai-Aufmarsch gellende Pfiffe des ohnehin Faymann-kritischen linken Parteiflügels ein. Der Rückhalt sei verloren gegangen, sagte Faymann nun bei seiner kurzen Rücktrittsrede.

APA

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