Frau getötet: Mängel bei Behörden?

WIEN: FRAU IN WIEN-OTTAKRING MIT EISENSTANGE GET�TET
(c) APA/HERBERT P. OCZERET
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Über den 21-jährigen Kenianer, der eine 54-Jährige erschlagen hatte, wurde Freitagnachmittag die U-Haft verhängt. Wäre die Tat zu verhindern gewesen?

Wien. Hätte die tragische Bluttat, die sich in der Nacht auf Mittwoch am Wiener Brunnenmarkt ereignete, verhindert werden können, wenn die Behörden früher eingeschritten wären? Diese Frage beschäftigt derzeit nicht nur die Öffentlichkeit; auch die Politik (siehe Artikel oben) und die Volksanwaltschaft greifen den Fall nun auf.

Rückblick: Francis N., ein der Polizei und der Justiz seit Jahren bekannter Obdachloser, fällt auf offener Straße über die 54-jährige Frau aus Wien her und erschlägt sie mit einer Eisenstange. Motiv: unbekannt. Möglicherweise ist der 21-Jährige psychisch krank. Er selbst zeigt bei Vernehmungen bisher keine Bereitschaft, plausible Angaben zu machen. Und sagt – trotz Zeugen und Blutspuren –, er sei gar nicht am Tatort gewesen. Am Freitag wurde über ihn U-Haft verhängt. Der Haftrichter geht von dringendem Mordverdacht aus.

• Warum wurde N. nicht nach Kenia abgeschoben? Der Mann kam 2008 als 13-Jähriger mit Familienangehörigen nach Österreich. Er hatte damals ein gültiges Visum. Dieses lief aus. 2014 lag ein rechtskräftiger Bescheid vor, wonach N. Österreich verlassen muss. Dem kam der Mann aber nicht nach. Eine Abschiebung war laut Innenressort (entgegen den Angaben des kenianischen Botschafters in Österreich) nicht möglich, da von Kenia – trotz des Antrags durch Österreich – kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei. Am Dienstag soll eine Aussprache zwischen Innenminister Wolfgang Sobotka und dem Botschafter folgen.

• Warum saß N. nicht länger in Haft? Weil er wegen Delikten verfolgt worden war, die nicht mit hohen Haftstrafen bedroht sind. 2010 erhielt er eine Bewährungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz und Widerstandes gegen die Staatsgewalt. 2013 bekam er wegen Drogenhandels, Nötigung und Körperverletzung eine Strafe von acht Monaten Haft, diese wurde zum Teil wiederum nur bedingt verhängt. Unter dem Strich wanderte er damals nur für zwei Monate hinter Gitter. Für Jugendliche (bis zum 18. Geburtstag) und junge Erwachsene (bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres) gelten im Wesentlichen die halben Strafsätze (verglichen mit Erwachsenen). Die jeweilige Strafhöhe bestimmt ein Gericht im Einzelfall. Dass gerade bei jungen Straftätern zuletzt oft sehr milde geurteilt wurde, ist nun ebenfalls Gegenstand von Debatten.

• Warum wurde N. nicht in einer psychiatrischen Abteilung angehalten? Dies bedeutet einen schweren Grundrechtseingriff und ist nur unter speziellen Voraussetzungen, die im Unterbringungsgesetz detailliert geregelt sind, zulässig. Nur wer an einer psychischen Erkrankung leidet und daher sein Leben oder seine Gesundheit oder Leben oder Gesundheit anderer „ernstlich und erheblich gefährdet“, kann angehalten werden. Ist dem so, kann ein Gericht per Beschluss maximal drei Monate Unterbringung anordnen. Im Fall von N. stand dies nach bisherigen Informationen nicht zur Debatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)


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