Köln. Im ersten Prozess über sexuelle Übergriffe zu Silvester wurde ein 26-Jähriger nur wegen Hehlerei verurteilt. Das Opfer erkannte ihn nicht.
Berlin. Es gibt ein Urteil, aber es ist keines wegen sexueller Nötigung. So endete der erste Prozess wegen der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln. Der 26-jährige Farouk B. war beschuldigt worden, einer Frau das Handy gestohlen und sie zuvor sexuell genötigt zu haben. Doch das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass der Algerier Teil einer Gruppe war, die die Frau umzingelt, bedrängt und bestohlen haben soll. Denn während des Prozesses hat das Opfer den Angeklagten nicht wiedererkannt. Die Staatsanwaltschaft ließ daraufhin den Vorwurf der sexuellen Nötigung fallen.
Das Hauptbelastungsmittel waren zwei Handys, die in einer Flüchtlingsunterkunft in Kerpen bei Farouk B. entdeckt wurden. Die habe er bei einem Bekannten gekauft, gab er an. Das Gericht wertete das als Hehlerei. Daneben gab es aber auch noch eine Anklage wegen Diebstahls, weil die Brüder im Dezember 2015 versucht hatten, ein Auto aufzubrechen. Dieses Delikt gaben die beiden auch vollinhaltlich zu – während sie den Vorwurf der sexuellen Nötigung von Beginn an abstritten. So stand am Ende eine Verurteilung wegen schweren Diebstahls und Hehlerei – sechs Monate auf Bewährung. Allerdings bleiben die beiden Brüder in Abschiebehaft, weil sie laut Staatsanwaltschaft illegal nach Deutschland eingereist sind – und hier auch keinen Asylantrag gestellt haben.
359 Anzeigen, bisher ein Prozess
Nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht hat das Kölner Amtsgericht bereits mehrere Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt. Eine Sexualstraftat war in den bisherigen Prozessen aber nicht angeklagt. Derzeit liegen dem Gericht einem Justizsprecher zufolge auch noch keine weiteren Anklagen wegen der massenhaften sexuellen Übergriffe vor. Einen möglicherweise zweiten Prozess könnte es aber im Fall eines 19-jährigen Marokkaners geben, dem sexuelle Nötigung und Raub vorgeworfen werden. Er wurde kürzlich in der Schweiz festgenommen. Noch gebe es laut Staatsanwaltschaft aber keine Anklage, weil der Mann sich in Auslieferung befinde. Insgesamt sind nach den Vorkommnissen vor dem Kölner Bahnhof 359 Anzeigen wegen Sexualdelikten gestellt worden. (eko/APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)