Journalistenverbände und deutsche Politiker sprechen von "Rachejustiz". Auch die US-Regierung zeigte sich besorgt über die Verurteilung.
Journalistenverbände und Politiker haben das Urteil gegen zwei regierungskritische Journalisten in der Türkei scharf kritisiert. Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen bezeichnete das Urteil von Freitag gegen den Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, und seinen Kollegen Erdem Gül als "skandalös". Es sei als "sehr klares Signal der Einschüchterung" an den gesamten Berufsstand zu verstehen, der in der Türkei ums Überleben kämpfe, erklärte Generalsekretär Christophe Deloire.
Auch die US-Regierung hat sich besorgt über die Verurteilung von zwei regierungskritischen Journalisten in der Türkei zu mehrjährigen Haftstrafen geäußert. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, rief die türkische Regierung dazu auf, "unabhängige und freie Medien zu unterstützen, die ein zentraler Bestandteil jeder demokratischen, offenen Gesellschaft sind".
"Willkürurteile"
Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte empört. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall sprach von "Willkürurteilen eines autokratischen Regimes". Die Schuldsprüche hätten "drastisch bewiesen, dass das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei mit Füßen getreten wird - allen Bemühungen der türkischen Führung um Visafreiheit zum Trotz". Human Rights Watch kritisiert das Urteil als politisch motiviert. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) sprach von einem "skandalösen Urteil".
Die Grünen-Politikerin und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth sprach auf ihrer Facebook-Seite von "Rachejustiz". Das Urteil habe mit einer unabhängigen Gerichtsbarkeit rein gar nichts zu tun. "Erdogan will die freie Presse endgültig ausschalten und die Opposition mundtot machen", erklärte Roth. "Das darf ihm nicht gelingen."
Ein Gericht in Istanbul hatte Dündar und Gül wegen Geheimnisverrats zu langen Haftstrafen verurteilt. Dündar wurde zu fünf Jahre und zehn Monate Gefängnis, Gül zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die beiden Journalisten waren auch wegen Spionage angeklagt, wurden in diesem Punkt aber nicht schuldig gesprochen. Anlass des Gerichtsverfahrens war die Veröffentlichung eines Artikels über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien.
(APA/AFP)