Bakterien als Goldmacher

KAERNTNER LANDESAUSSTELLUNG 2004:  WasserGold
KAERNTNER LANDESAUSSTELLUNG 2004: WasserGoldAPA
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Ob etwas geogen oder biogen ist, ist oft so klar nicht. Edelmetalle werden von Bakterien nachbearbeitet, und vielleicht kommt Öl auch aus Gestein.

Wo kommen die Schätze der Erde her, das Gold, das Öl, die Diamanten? Na ja, von mehr oder weniger weit unten: Dort sammelt sich etwa Gold, unter hohem Druck und hoher Temperatur, in Adern im Gestein. Das ist ein rein geologischer Prozess, sein Produkt heißt primäres Gold, ihm sind Bergleute hinterher. Es gibt auch sekundäres, das kommt durch Erosion frei und wird ausgeschwemmt, man kann es aus Gewässern holen, mit vielen Methoden, etwa der, die das Goldene Vlies begehrt machte: Wo Jason es raubte, in Georgien, legt man heute noch Schaffelle in Bäche, in ihnen fängt sich Goldstaub.

Und woher kommt das Öl? Auch aus der Erde, aber ganz anders, biogen, aus abgestorbenen Algen und Pflanzen: Die Geologie spielt nur am Rande mit, etwa, indem sie Sedimente über die Biomasse schichtet, sie vom Sauerstoff abschneidet. Und die Diamanten? Was sind das bloß für Fragen, es ist doch glasklar, wo was wie in der Erde entstanden ist!!! Gemach, so einfach liegen die Dinge nicht, und welche Emotionen sie wecken können, zeigte sich etwa im Deep Carbon Observatory (DCO).

Das ist ein internationales Projekt zur Erkundung des Kohlenstoffs im Erdinneren. Angeregt wurde es vom US-Mineralogen Robert Hazen, er hat auch eine Tagung aus dem Jahr 2010 in Erinnerung. Da erklärte ein russischer Geochemiker, Erdöl sei überhaupt nicht biogen, sondern geogen, „zu hundert Prozent“. Das erboste einen US-Experten derart, dass er mit einem Austritt aus dem DCO drohte, sollte es auch nur ein Wort darauf verschwenden, dass Öl anders entstehen könne als biogen, „zu hundert Prozent“.

Dabei ist geogenes Erdöl (und Erdgas) in Russland seit bald 150 Jahren eine gängige Lehrmeinung, initiiert von Dmitri Mendelejew – ja der, der das Periodensystem ersonnen hat –, ausgebaut von der „russisch-ukrainischen Schule“ in den 1950er-Jahren. Da war Kalter Krieg, man suchte händeringend landeseigenes Öl, es gab „All-Unions-Petroleums-Geologie-Kongresse“, über Tausend Forschungsarbeiten wurden publiziert, alle auf Russisch.

Der Westen wurde erst aufmerksam, als die Energie dort knapp wurde, in der ersten Ölkrise. Da publizierte ein Tommy Gold im Wall Street Journal (8. 6. 1977), das Öl werde nie ausgehen, weil aus dem Inneren der Erde immer Neues nachkommt. Der Ort der Publikation war so ungewöhnlich wie die Vita Golds: Er war ein in Wien geborenes und in die USA emigriertes Multitalent, das sich vor allem in der Astrophysik einen Namen gemacht hatte, viele seiner Ideen waren umstritten (und bewährten sich doch, etwa die, dass Pulsare rotierende Neutronensterne sind). Er als Person war es auch, und ob seine „Deep Earth Gas Hypothesis“ nun von ihm selbst erdacht war oder abgekupfert – er konnte gut Russisch –, ist offen.


Keine Alchimie. Wie auch immer, Gold stimmte mit der „russisch-ukrainischen Schule“ überein: Kohlenwasserstoffe entstehen unablässig in der Tiefe – aus dort lagerndem Kohlen- und Wasserstoff –, sie steigen hinauf, wo die Erdkruste durchlässig ist, in Bruchzonen, bei Vulkanen etc. Reines Hirngespinst? Kohlenwasserstoffe gibt es auf Meteoriten zuhauf, zu ihrer Bildung braucht es kein Leben, und es braucht keine Alchimie, damit aus Anorganischem Organisches wird: Der Chemiker Friedrich Wöhler hat es 1828 gezeigt, als er aus Ammoniumcyanat (NH4CNO) Harnstoff CO(NH2)2 synthetisierte. Später zeigte sich, dass der einfachste Kohlenwasserstoff – Methan (CH4) – aus Gesteinen entstehen kann, aus Karbonaten etwa, in der Gegenwart von Wasserstoff und bei 400 Grad, die hat es in der Erde rasch. Weiter unten kommen auch die 1000 bis 1500 Grad zusammen und die zwei Gigapascal Druck, in denen Methan polymerisiert, zu Ethan (C2H6), Propan (C3H8), Butan (C4H10).

Erdgas ist überwiegend CH4, der simpelste Kohlenwasserstoff. Erdöl ist unvergleichlich komplexer, der Weg zu ihm ist bzw. wäre weit, Hazen versucht, dahin zu schlichten, dass auch geogene Ursprünge bei manchen Kohlenwasserstoffen außer Streit stünden. „Evidenz für die Synthese von Petroleum“ hingegen stehe aus: „Künftige Studien mögen helfen, zu einer nuancierteren Lösung bei diesem bisweilen polarisierten Thema zu kommen“ (Reviews in Mineralogy & Geochemistry 75).

Künftige Studien, ja, sind denn im Öl nicht oft Spuren von Leben, von Bakterien? Ja, aber die beanspruchen beide Seiten für sich: Die eine sieht die Bakterien an der Biogenese des Öls beteiligt, die andere vermutet, dass die Bakterien sich von geogenem Öl ernähren. Bei anderen Spuren, die Bakterien hinterlassen haben, liegen die Dinge klarer, bei denen am Gold: Das Sekundäre hat oft seltsame Strukturen, die Körnchen sehen aus wie Bakterien bzw. ihre Gemeinschaften, Biofilme. Der Eindruck trügt nicht: Frank Reith (Australien National University) hat solches Gold mit Gen-Analysen untersucht, anno 2006 fand er DNA von Bakterien (Science 313, S. 233), nun ist ihm das Gleiche bei Platin gelungen (Nature Geoscience 21. 3.).

Was haben Bakterien mit Edelmetallen zu schaffen? Manche Goldverbindungen sind giftig, sie müssen aus den Bakterien hinaus, das metallische Gold wird an der Zellmembran eingelagert und damit akkumuliert; andere Bakterien nutzen Verbindungen von Schwefel und Gold als Nahrung, sie brauchen den Schwefel, das Gold fällen sie aus; und wieder ein anderes Bakterium baut Gold gar in sich ein, in Enzyme. Das alles ist absolut nicht exotisch – wie geogenes Erdöl es wohl wäre –, Reith vermutet, dass die größte Goldlagerstätte der Erde von Bakterien aufgebaut wurde, sie liegt in alten Sedimenten bei Witwatersrand in Südafrika (ISME Journal 1, S. 567).

Südafrika, Gold? Und Diamanten! Haben die auch mit Leben zu tun? Bei der Entstehung wirklich nicht, sie kommen aus Hunderten Kilometern Tiefe, in „pipes“ aus dem Mineral Kimberlit. Diese Röhren sind oft gut versteckt in Regenwäldern, aber eine Pflanze mag Kimberlit so, dass sie nur auf ihr gedeiht: Pandanus candelabrum. Stephen Haggerty (Folrida International University ) hat es bemerkt (Economic Geology 110, S. 1), er hofft auf reiche Funde, man muss nur die Augen offen halten. Reith hofft auch auf reiche Funde, aber er braucht beim Stöbern nach Gold und Platin im Boden schon Gensonden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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