Plädoyer für Weltoffenheit

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AUSTRIA-US-IRAN-NUCLEAR-SANCTIONAPA/AFP/POOL/KEVIN LAMARQUE
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Die weltabgewandte Haltung, die im Präsidentschaftswahlkampf und der Ablehnung eines Freihandelsabkommens mit den USA zutage tritt, schadet einer offenen Volkswirtschaft wie Österreich auf Dauer.

Österreichs internationales Image schillert dieser Tage in den unterschiedlichsten Farben: in grellen ebenso wie in gediegenen. Übernächste Woche wird sich die Palette in ihrer ganzen Breite präsentieren. Am 17. und 18. Mai sollen in einem Wiener Ringstraßenhotel die Außenminister der USA, Russlands, Chinas, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und mindestens elf nahöstlicher Regionalmächte ihre Köpfe zusammenstecken, um über zwei akute Weltkrisen zu beraten. Diesmal soll es nicht nur um die Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien gehen, sondern auch um Libyen, in dessen anarchischen Hohlräumen sich die Terrormiliz IS längst auch neue Hochburgen aufgebaut hat.

Österreichs Diplomatie sitzt zwar nicht am Verhandlungstisch, doch sie tritt als Eventmanager der Weltpolitik in Erscheinung. Das bringt Kontakte, Informationen – und Gratiswerbezeit in internationalen Fernsehsendern. Es nützt der Reputation des Landes, Wien als Ort der Begegnung ins Rampenlicht zu rücken.

Diesmal wird der eine oder andere Auslandsjournalist ein paar Tage dranhängen: Denn am Sonntag nach dem Gipfelreigen könnten die Österreicher einen Mann zum Bundespräsidenten wählen, der sich rühmt, 1994 gegen den EU-Beitritt votiert zu haben und auch heute gegebenenfalls noch immer so abzustimmen, den Vertreter einer Partei, die im Europaparlament in einer Fraktion mit Marine Le Pens Front National, Geert Wilders Partei für die Freiheit, dem Vlaams Belang aus Belgien und der Lega Nord aus Italien sitzt. Es wäre eine Premiere in Europa, wenn jemand aus dem rechtspopulistischen Anti-EU-Bündnis die Staatsspitze erklömme.

Dieser Dimension der Bundespräsidentenwahl wird im Ausland eine höhere Bedeutung beigemessen als in Österreich, wo sich die Maßstäbe für Salonfähigkeit offenbar verschieben. Umgekehrt nehmen die meisten internationalen Journalisten nicht ganz so scharf wahr, dass der FPÖ-Bewerber vor allem vom Verdruss über die Große Koalition des Stillstands und der Verunsicherungen im Zuge der Flüchtlingskrise profitiert. Der schaurige Griff in die Mottenkiste brauner Klischees verspricht mehr Aufmerksamkeit.

Die Mehrheit der Österreicher wird sich bei ihrer Wahl kaum davon beeinflussen lassen, was das Ausland darüber denkt. Mahnungen von außen dürften eher Justament-Reflexe auslösen. Die Warnung des sozialdemokratischen Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, vor einem Sieg Norbert Hofers war ein gefundenes Fressen für die FPÖ, die sogleich die Einmischung in innere Angelegenheiten geißelte.


Mia san mia. Eine Jetzt-erst-recht-Stimmung ist schnell aufgebaut. Die Mia-san-mia-Mentalität ist ja schon da. Es erstaunt immer wieder, welche provinzielle Geisteshaltung sich in weiten Teilen eines Landes breitmacht, dessen offene Volkswirtschaft mit einer Exportquote von fast 40 Prozent auf den Austausch mit der Welt angewiesen ist.

In keinem Mitgliedsland der EU ist die Ablehnung des Freihandelsabkommens mit den USA so ausgeprägt wie in Österreich. Es findet sich kaum jemand, der dafür eintritt, obwohl die wirtschaftlichen Vorteile auf der Hand liegen. Die Angst vor dem Boulevard ist zu groß. Beide Präsidentschaftskandidaten, auch der grüne Umfaller Alexander Van der Bellen, geloben, TTIP nicht zu unterschreiben, obwohl der Vertrag nicht ausverhandelt ist und Bedenken ausgeräumt noch werden können. Bundeskanzler Faymann sah sich zu Beginn einer Woche, in der es um sein persönliches Schicksal ging, bemüßigt, mit Arbeiterkammer und Greenpeace gegen TTIP aufzutreten. Dabei hatte er selbst im EU-Rat grünes Licht für Verhandlungen mit den USA gegeben.

Ohne Weltoffenheit wird Österreich die Zukunft nicht meistern. Das wissen 530.000 Österreicher, die im Ausland leben. Wenn es so weitergeht, wenn dringende Reformen in Schlüsselbereichen wie Bildung ausbleiben und die politischen Eliten weiter versagen, könnten bald ein paar dazukommen.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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