Scharfmacher Rodrigo Duterte wurde zum neuen Präsidenten gewählt. Sein Vorgänger warnt vor einer Diktatur.
Manila/Bangkok. Seine Gegner sehen in ihm einen möglichen Diktator, doch er selbst gab sich am Wahltag handzahm. „Ich möchte meinen Gegnern die Hand reichen“, sagte Rodrigo Duterte kurz nach seiner Stimmabgabe am Montag. Noch wenige Tage zuvor hatte er lautstark damit gedroht, das Kriegsrecht auf den Philippinen auszurufen und das Parlament aufzulösen, sollten sich die Abgeordneten ihm in den Weg stellen. Nun schlug der ebenso populäre wie umstrittene Politiker versöhnlichere Töne an: „Es ist Zeit, die Wunden heilen zu lassen.“
Zu diesem Zeitpunkt konnte Duterte, bisher Bürgermeister der Millionenmetropole Davao, bereits ahnen, was wenige Stunden später fest stand: Nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen lag er bei knapp 39 Prozent und damit 16 Punkte vor dem Zweitplatzierten Mar Roxas, wie die Wahlkontrollorganisation PPCRV am Montagabend mitteilte. Auf den Philippinen reicht eine einfache Mehrheit für den Sieg. Drei Jahrzehnte nach dem Ende der Diktatur haben die Philippiner damit offenbar einen Präsidenten gewählt, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wieder einschränken will
Die lautstarken Warnungen seiner Gegner haben offenbar bei einem großen Teil der über 50 Millionen wahlberechtigten Philippinern nicht gefruchtet. Noch am Wochenende hatte sich der amtierende Präsident Benigno Aquino, der nach sechsjähriger Amtszeit nicht mehr antreten durfte, an die Öffentlichkeit gewandt: Die Wahl Dutertes könne drei Jahrzehnte nach dem Sturz des damaligen Machthabers Ferdinand Marcos eine neue Diktatur einleiten. „Ich brauche eure Hilfe, um die Rückkehr des Terrors zu stoppen.“
Aquino verwies auf die extremen Wahlversprechen Dutertes. Dieser hatte angekündigt: „Wenn ich Präsident werde, wird es blutig.“ 100.000 Verbrecher wolle er töten, in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit das Land von der Kriminalität befreien. Und: „Die Menschenrechte könnt ihr vergessen.“
Schwerste Krise der jungen Demokratie
Die Botschaft kam bei den Wählern offenbar gut an. In seiner Heimatregion Davao, wo er laut Menschenrechtlern Todesschwadronen bei der Verbrecherjagd unterstützt haben soll, erzielte er laut vorläufigen Wahlergebnissen einen Erdrutschsieg. Seine Attacken gegen die politischen Dynastien, die sich die Macht in der Hauptstadt Manila aufteilen, brachte ihm auch im Rest des Landes, besonders in der Mittelschicht, viele Unterstützer.
Dass Duterte tatsächlich kurzen Prozess mit Kriminellen machen wird, halten politische Beobachter für glaubwürdig. Dafür sprächen seine engen Verbindungen zum Sicherheitsapparat und sein geringer Respekt vor demokratischen Institutionen, kommentierte Julio C. Teehankee, Politikprofessor an der De-La-Salle-Universität in Manila. Dutertes Erfolg sei die bisher größte Krise der philippinischen Demokratie in den drei Jahrzehnten seit dem Ende der Marcos-Diktatur.
Die neue Stärke der autoritären Politiker ist auch an einem anderen Wahlergebnis absehbar: Ferdinand Marcos junior – der Sohn des Ex-Diktators, der sich von seinem Vater nicht distanzierte – stand laut ersten Ergebnissen vor dem Sieg bei der separat ausgetragenen Wahl zum Vizepräsidenten. Das Duo muss nun auch Lösungen für die hohe Arbeitslosigkeit und Armut präsentierten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2016)