Song Contest: Zoë überzeugte mit Schlichtheit

?Eurovision Song Contest?: Das erste Semifinale live am 10. Mai in ORF eins
?Eurovision Song Contest?: Das erste Semifinale live am 10. Mai in ORF einsORF/Milenko Badzic
  • Drucken

Österreichs Kandidatin Zoë glückte der Einzug ins Finale, das am Samstag stattfindet.

In ihrem anfangs noch ein wenig eisigen Lächeln spiegelten sich Glanz und Elend einer zum Großen entschlossenen jungen Frau: Mit glockenheller Stimme beschwor Zoë Straub in dem schlichten, mit ihrem Vater komponierten Chanson „Loin d'ici“ das Paradies als etwas, was sich dem Menschen so konsequent entzieht wie der Horizont. In diesem Lied konzentrieren sich die Sterblichen auf Felder, die sie zumindest mitgestalten können: Liebe und Freundschaft. Mit nicht zu viel Pathos sang sie Zeilen wie „Ohne Zweifel bin ich mit dir, ohne Zweifel, auch wenn wir verloren sind“. Als Absolventin des Lycée Français de Vienne tat Zoë das selbstverständlich in ihrer Wahlsprache Französisch. Deutlich vernehmbar war ein Quäntchen Angst, das in der Stimme mitflatterte. Zoë rang es tapfer nieder. Am Ende kam sogar ein Hauch Leichtigkeit in ihre Performance. Erleichtert kostete sie den lauten Jubel im Saal aus. Leidenschaftlicher war bis dahin keinem anderen Teilnehmer applaudiert worden.

Dabei war die Konkurrenz stark. Im ersten Halbfinale des 61. Eurovision Song Contest waren finnische Krankenschwestern genauso am Start wie ein ungarisches Männermodel. Tätowierte junge Grazien wie Lidia Isac aus Moldawien versprühten im Dickicht stampfender Beats duftigen Ostblockcharme. Alte Kracher wie der für San Marino antretende türkische Flüsterchansonier Serat bemühten den Eros mit derselben Dringlichkeit wie die rollig auf dem Bühnenboden rutschende Isländerin Greta Salóme.

Beide scheiterten am Ende. Souverän ins Finale kam dagegen der favorisierte Russe Sergei Lazarew: In seiner visuell eindrucksvollen Performance wuchsen ihm buchstäblich Flügel. Sein Lied „You Are The Only One“ ist allerdings von jener gnadenlosen Durchschnittlichkeit wie so vieles bei diesem recht seelenlos gewordenen Singwettbewerb.

Stille im niederländischen Beitrag

Im Grunde hörte man im ersten Halbfinale nur drei Arten von Songs: untertourige Ostblock-Discostampfer, hemmungslose Rockanmaßungen und organzersetzende Brachialschnulzen. Die meisten Akteure hatten wenigstens Spaß an der Überinszenierung ihres Acts, nach dem Motto: wenn schon schlechter Geschmack, dann viel davon.

Angenehme Ausnahme war der 24-jährige Niederländer Douwe Bob. Im schlichten blauen Anzug trug er seinen einnehmenden Country-Folksong „Slow Down“ vor, machte er die bei solchen Events gescheute Stille für zehn Sekunden fühlbar, indem er und die Instrumente einfach mitten im Lied schwiegen. Das war Novum in diesem marktschreierischen Wettbewerb.

Die in Hamburg lebende Exil-Armenierin Iveta Mukuchyan setzte auf nacktes Bein. In braun-güldenem Badeanzug mit Cape gab sie mit variantenreichem Gesang das sexy Hexi. Dass sie auch politische Ambitionen hat, bewies sie zum Ärger der Organisatoren, als sie im Jubel die (beim Wettbewerb verbotene) Flagge Bergkarabachs schwenkte.

Beharrungskraft beschwor auch die stimmgewaltige Tschechin Gabriela Guncikova mit „I Stand“. Doch im Vergleich zu Zoë wirkte sie wie ein leicht ausgefranster Engel. Beiden gemeinsam ist die Liebe zur Blütenblättern und floralen Inszenierungen. Jene von Zoë war schlichter und überzeugender. Gerüstet nur mit einem pfirsichfarbenen Abendkleid, nackten Schultern und ihrer hübschen Stimme durchmaß sie die vier Jahreszeiten. Da wogten die Narzissen, glühte das Herbstlaub, schneite es Babypuder. Mit nur wenigen Gesten navigierte sie sich durch ihren sehnsuchtsvollen Song. Ihr Einzug ins Finale ist ein Triumph der Schlichtheit, geeignet, die Nation in ein Delirium des Wünschens zu stürzen. Arkadien, wir kommen!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Jamala, die Siegerin des ESC 2016
Song Contest 2024

Kiew oder Krim - Wo findet der Song Contest 2017 statt?

Der nächste europäische Liederreigen könnte zu politischen Verwicklungen führen.
Der polnische ESC-Kandidat Michal Szpak.
Song Contest 2024

Österreicher wählten Polen auf Platz 1

Publikumsvoting und Fachjury fielen heuer sehr unterschiedlich aus. Während die Zuschauer Michal Szpak auf dem Podest sahen, bekam er von der Jury keinen Punkt.
SWEDEN-ENTERTAINMENT-EUROVISION-SONG-CONTEST
Song Contest 2024

Ukraine gewinnt den Song Contest 2016

Jamala gewann mit dem Lied "1944", einem politischen Statement den Song Contest in Schweden. Österreich belegte den 13. Platz, Deutschland wurde Letzter.
Österreichs Kandidatin Zoe liegt bei den Buchmachern auf Platz 11
Song Contest 2024

Song Contest: Wettbüros erwarten spannendes Rennen

Bei den Zockern gibt es gleich mehrere Favoriten auf den Sieg . Österreichs Teilnehmerin Zoe hat bei den Buchmachern zuletzt etwas an Boden verloren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.