Jörg Leichtfried: FPÖ-Kritiker und Pragmatiker
Der neue Infrastrukturminister arbeitete mit Christian Kern bereits in der Vergangenheit zusammen. Jetzt soll er seine Kompetenz aus Brüssel und Graz auch in Wien umsetzen.

Er weiß, was geht und was nicht geht. Jörg Leichtfried ist ein Pragmatiker, dem es in seiner kurzen Zeit als steirischer Verkehrslandesrat gelungen ist, den öffentlichen Verkehr in seinem Bundesland zu reformieren. Schon in dieser Tätigkeit und davor als EU-Abgeordneter mit Schwerpunkt Verkehrspolitik arbeitete er eng mit ÖBB-Chef Christian Kern zusammen. Nach dessen Designierung zum Bundeskanzler kam er denn auch rasch als neuer Infrastrukturminister ins Gespräch. Aber wie ist dieser SPÖ-Politiker aus Bruck an der Mur? Von Wolfgang Böhm
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Äußerlich ruhig und überlegt, hat Leichtfried das politische Handwerk in seinen Parteifunktionen, im Bürgerservice der Stadtgemeinde Bruck, als Europaabgeordneter und in der steirischen Landesregierung über Jahre verfeinert. Im Gespräch schweift er selten ab, kommt rasch zu den für ihn wichtigen Punkten. So verbindlich er auftritt, so klar sind seine Feindbilder: Internationale Konzerne und die FPÖ.
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Den ersten wirft er vor, die Bevölkerung um Milliarden an Steuern zu prellen. Letztere hält er für unverantwortlich. In seiner Partei ist er spätestens seit einer Rede vor der SPÖ-Regionalkonferenz in der Obersteiermark 2015 als prominenter Gegner einer Kooperation mit den Freiheitlichen bekannt. Damals warf er der FPÖ pointiert vor, sie wolle „die Grenzen zurück, den Schilling und vielleicht auch noch das Vierteltelefon – weil's so super war“.
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Er stellt die Strache-Partei als rückgewandt und rückständig dar. Sie werde mit ihrer Politik der Abschottung viele Arbeitsplätze insbesondere in der steirischen Exportindustrie vernichten. Leichtfried kritisiert aber auch die vorübergehende Rückkehr zu Grenzkontrollen im Schengenraum, die bereits wirtschaftliche Nachteile bringe.
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Der 48-Jährige verstand es stets, klar Fronten zu ziehen, aber auch die geeigneten Freunde zu gewinnen. So gelang es ihm im Europaparlament nach dem Rückzug von Hannes Swoboda als dessen Nachfolger Karriere zu machen. Im Juni 2014 wurde er Vizepräsident der SP-Fraktion. Leichtfried übte sich als Vermittler zwischen den sehr unterschiedlichen Positionen der einzelnen nationalen Delegationen und setzte selbst vor allem in der Verkehrspolitik Zeichen. Einer seiner Erfolge war die Verhinderung von grenzüberschreitenden Fahrten von sogenannten Gigalinern – riesigen Lkw mit einer Länge von 25 Metern. Für Österreich hätte die Zulassung massive Investitionen in den Straßen- und Brückenbau bedeutet.
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Leichtfried ist in der europäischen Sozialdemokratie mittlerweile gut vernetzt. In Österreich ist sein Bekanntheitsgrad ähnlich wie bei vielen anderen EU-Abgeordneten eher gering. In der SPÖ galt er noch vor einigen Jahren als Leichtgewicht. Obwohl er stets loyal zu den Parteivorsitzenden stand, wurde ihm 2014 mit Eugen Freund ein Quereinsteiger als Spitzenkandidat bei der Europawahl vorgesetzt. Diese kleine Demütigung ertrug er äußerlich gelassen, dennoch dürfte sie mit ein Grund für seine Rückkehr nach Österreich gewesen sein.
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Ehrgeiz gehört sehr wohl zu seinen Eigenschaften. Jörg Leichtfried hievte sich in der Partei-Hierarchie mit Geschick immer wieder ein Stück weiter nach oben. Wo es für ihn nicht weiter ging, suchte er einen Umweg. Von Bruck an der Mur über Brüssel und Graz ist er nun in Wien angekommen. Der Leobener Finanzstadtrat Anton Lang soll Leichtfried im steirischen Infrastruktur- und Sportressort folgen.
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