Matura: „Zentraler geht es nicht“

Porträt. „Ich kann verantwortungsvolles Handeln nur erwarten, wenn ich Verantwortung übertrage“, sagt Matthias Roland, Chef der gleichnamigen Maturaschule, mit Blick auf die Zentralmatura.

Die Zentralmatura, so wie sie in diesen Tagen von rund 40.500 Schülern in Österreich abgelegt werde, betreffe sein Haus noch immer nicht, sagt Matthias Roland. Der 45-Jährige ist Direktor der gleichnamigen Maturaschule, die sein Großvater 1933 gründete. Das Ministerium habe bei der Einführung der Zentralmatura auf die Externisten vergessen, sagt Roland. Er drücke sich nicht. Im Gegenteil: „Ich freue mich darauf, wenn es zu Gleichbehandlung kommt.“ Allerdings, sagt er, müssten seine Schüler seit jeher vor einer staatlichen Prüfungskommission bestehen. „Zentraler als das, was wir hier machen, geht es nicht.“

Sein Verhältnis zu zentralen Prüfungen ist dennoch ambivalent. Einerseits seien sie Qualitätskontrollen: „Kommen viele Schüler durch, habe ich gute Lehrer.“ Andererseits zeigten sie den fehlenden Mut des staatlichen Systems.

Lehrer gleich mitprüfen

Denn aus den Biografien seiner Schüler sehe man, dass viele ihr Potenzial im staatlichen System nicht ausschöpfen könnten: Da Lehrer nicht zeitgemäß ausgebildet seien und man ihnen immer mehr Verantwortung entziehe. „Ich kann verantwortungsvolles Handeln nur erwarten, wenn ich Verantwortung übertrage.“ Die Zentralmatura sei ein Beispiel dafür, Lehrern Verantwortung zu entziehen und ihnen die Prüfungshoheit wegzunehmen.

Natürlich könne es sinnvoll sein, die Rolle des Lehrenden und des Prüfenden zu trennen, „aber nicht nach zwölf Schuljahren, nach denen eine Prüfung über Sein oder Nichtsein der Schüler entscheidet“. Solche Prüfungen sollte es zwischendurch häufiger geben. Zudem, sagt Roland, müsste man „der Lehrergewerkschaft ein bisschen Mut zusprechen, dabei auch die Lehrkräfte der öffentlichen Schulen mitzuprüfen“. Damit es nicht nur um eine Beurteilung der Schüler, sondern auch des Systems gehe.

Dann würde es auch weniger Nachhilfe bedürfen: „Die Schüler sind massiv überfordert, es wird zu viel verlangt, die Allgemeinbildung ist zu breit gestreut.“ Er habe das Gefühl, durch die Einführung der Bildungsstandards könnten sich Lehrkräfte nicht mehr auf das konzentrieren, was sie gut vermitteln können. „Es ist ein Einheitsbrei, es müssen alle dasselbe können.“

Flüchtlingsprojekt

Sich Lehrer selbst aussuchen zu können, in persönlichen Gesprächen ihr Potenzial zu erkennen und sie von erfahrenen Lehrern begleiten zu lassen, darin sieht Roland Vorteile gegenüber den Direktoren öffentlicher Schulen. Zudem könne er Projekte starten: Derzeit unterrichtet sein Team 16 Flüchtlinge im Alter von 15 bis 19 Jahren, die in Österreich nicht mehr schulpflichtig sind. „Wir wollen ihnen Gelegenheit geben, Schule zu erleben, zu lernen, um im Herbst Staatsbürgerschaftsprüfungen zu machen.“

Auch deshalb gefalle ihm die Aufgabe als Schulmanager, die er 1997 als 27-Jähriger übernahm. Damals war das Haus in einer finanziell angespannten Lage. Als Jurist musste er sich die Finanzthemen erst erarbeiten und „wirtschaftliches Gespür“ entwickeln.

Viele Jobs unerreichbar

In den bald 20 Jahren habe sich – mit Blick auf den Arbeitsmarkt – der Wert der Matura verändert: Viele Jobs seien ohne sie nicht mehr zu erlangen. Wer sich auf ein Handwerk konzentriere, brauche die Matura vielleicht nicht, sagt Roland. Doch in einer flexiblen Gesellschaft, in der man nicht ein gesamtes Erwerbsleben im gleichen Job sei, werde die Matura immer wichtiger.

Noch etwas: Anders als sein Großvater, der bei einem Absturz im Gesäuse beinahe gestorben wäre, und sein Vater, der noch unterrichtet, ist Roland „nur“ Magister. Worüber er dissertieren würde? „Als Student habe ich über Umweltwirtschaft in Alpenvereinshütten geschrieben“, sagt der begeisterte Bergsteiger. Heute würde er ein schulrechtliches Thema wählen.

ZUR PERSON

Matthias Roland (45) leitet seit dem Jahr 1997 die Maturaschule Dr. Roland, die sein Großvater, Dr. Erich Roland, im Jahr 1933 gründete. Am Schulstandort in der Wiener Neubaugasse werden rund 1300 Schüler von 60 Lehrern unterrichtet. Zu den Ex-Schülern zählen Bruno Kreisky, Christoph Waltz, Niki Lauda und Attila Doğudan. Matthias Roland hat Jus studiert, ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

(Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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