Bei den Affen sitzen wie Jane Goodall

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Auf dem Affenberg in Landskron in Kärnten untersuchen Verhaltensforscher die sozialen Netzwerke von Makaken: Ihre Genetik bestimmt, wie gut sie mit Stress umgehen können.

Sissi ist 26 oder 28 Jahre alt und eine der Stammaffen auf dem Affenberg. Genau kann man das Alter der Makaken, die vor 20 Jahren herkamen, nicht bestimmen. 40 Japanmakaken wurden 1996 in der Nähe von Osaka im Freiland gefangen und in das große Areal der Burgruine Landskron bei Villach gebracht. Nun eröffnete hier das Österreichische Forschungszentrum für Primatologie.

„Diese Art wird auch Schneeaffe genannt, weil es die weltweit am nördlichsten vorkommenden nicht menschlichen Primaten sind. Wir wollten diese Affen, damit sie auch mit den tiefen Temperaturen im österreichischen Winter zurechtkommen“, sagt Svenja Gaubatz, die gemeinsam mit ihrem Mann Peter den Affenberg leitet.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Uni Graz, Vet-Med-Uni und Uni Wien präsentierten sie nun die Forschungen in diesem privat geführten Zentrum. „Wir machen nicht invasive Forschung: Kein Tier wird für Experimente oder Blutabnahmen eingefangen, sondern wir sind stille Beobachter im Areal“, sagt die wissenschaftliche Leiterin auf dem Affenberg, Lena Pflüger von der Uni Wien. Anstatt Blutproben werden Kotproben gesammelt: Diese kann man bei genauer Beobachtung dem jeweiligen Tier zuordnen und aus dem Inhalt die Genetik und verschiedene Hormonlevel des Tieres herauslesen.

Der Stress in der Paarungszeit

„Studenten, die bei uns forschen, sind begeistert, wie naturnah es abläuft. Sie fühlen sich wie Jane Goodall oder Dian Fossey, wenn sie inmitten der Affen sitzen“, sagt Gaubatz. Meist geht es um das Sozialverhalten in der großen Affengruppe: Die knapp 150 Tiere leben in elf Familienclans, die von Weibchen geleitet werden.

Im Winter herrscht Paarungszeit, da gibt es für die Wissenschaft viel zu tun. Der Besuch ist im Winter für die Öffentlichkeit nicht erlaubt – auch um die Tiere in der ohnehin stressigen Zeit nicht zu stören. „Wir beobachten, welche Affen aggressiver sind, welche Männchen sich öfter in Streits um die Weibchen verwickeln lassen oder wie viele Tiere zur Unterstützung eines angegriffenen Männchens herbeieilen“, sagt Pflüger. Diese Daten der Verhaltensprotokolle zeigen in Verbindung mit Daten aus den Kotproben überraschende Zusammenhänge.

Es gibt etwa beim Menschen ein Gen, das ins Dopaminsystem eingreift und Einfluss auf das individuelle Stresslevel hat: Wer viel Dopamin im Gehirn hat, ist zwar ein schneller Denker, aber wird auch schneller gestresst. Menschen mit niedrigem Dopaminspiegel überlegen zwar langsamer, lassen sich aber nur schwer aus der Ruhe bringen. „Dieser Unterschied hängt mit einer Variation des COMT-Gens zusammen, und wir fanden Ähnliches bei Makaken“, sagt Pflüger.

Das individuelle Stresslevel dokumentierten sie über das Stresshormon Kortisol in den Kotproben der Männchen, die in der Paarungszeit um Weibchen buhlten. „Es zeigte sich aber kein Zusammenhang des Stresshormons mit der Aggression, die ein Männchen von anderen abbekommen hat. Vielmehr bestimmte die COMT-Genvariante, wie gut ein Affe psychologisch mit solchen Streitereien umgehen kann, ohne dass der Kortisolwert in den Himmel schießt“, sagt Pflüger. „Doch kein Gen ist eine Insel, jedes interagiert mit anderen. Daher wollen wir den Einfluss anderer Genvariationen anschauen, die mit Aggression und Stressantwort assoziiert sind, um zu zeigen, welche Interaktionen bestimmte Verhaltenstypen hervorbringen.“ Die Wissenschaftler wollen nun auch wissen, wie stark soziale Netzwerke beeinflussen, wie jeder Affe auf Stress reagiert.

Hütte für Kooperationsspiele

Besonders stressfrei sollen auch alle Settings für Verhaltenstests sein. Darum steht im Gehege eine hölzerne Forschungshütte, die für die Tiere frei zugänglich ist. Darin werden spielerische Kooperationstests angeboten. „Derzeit muss sich ein Affe Kooperationspartner suchen, um eine Box zu öffnen, in der Leckereien stecken“, sagt Pflüger. Über Videoaufnahmen werten die Forscher aus, welche Tiere öfter zusammenarbeiten und ob sie familieninterne Affen bevorzugen.

Wie erkennen die Forscher eigentlich die individuellen Tiere? „Wir brauchen keine Farbringe oder Ähnliches, denn man lernt sehr schnell die unterschiedlichen Gesichter der Tiere. Auch an Gang und Körperhaltung können wir bestimmen, wer wer ist“, so Gaubatz. Das schaffen sogar Schüler und Kindergartenkinder, die ab 2017 in Mini-Uni-Workshops auf dem Affenberg in wissenschaftliches Arbeiten hineinschnuppern können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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