Der Coworking Space als Marketingtool

Wer in der Blogfabrik einen Arbeitsplatz bucht, zahlt dafür nicht mit Geld, sondern mit Content.
Wer in der Blogfabrik einen Arbeitsplatz bucht, zahlt dafür nicht mit Geld, sondern mit Content.Christoph Neumann
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Die Berliner Blogfabrik bietet Arbeitsplätze an, für die Benutzer nicht mit Geld, sondern mit Inhalten für ein Webmagazin zahlen. Gleichzeitig hat man so einen Pool an Mitarbeitern.

Es könnte ein ganz normales Büro sein. Im Hinterhof eines alten Backsteinbaus in Berlin-Kreuzberg, innen mit weiten, offenen Räumen und viel Licht, auf kleineren und größeren Tischen blicken junge Menschen in ihre Laptops. Doch die Menschen, die hier arbeiten, sind hier nicht angestellt. Gut, so weit ist das Konzept des Coworking Spaces schon bekannt – Freelancer mieten sich in einer größeren Büroeinheit ein. Damit haben sie einen Arbeitsplatz mit der passenden Infrastruktur, aber auch Kontakt zu anderen Menschen. Gerade für junge Selbstständige kann das eine spannende Alternative zum Home-Office sein. Aber die Blogfabrik bietet doch ein etwas anderes Modell an.

Wer hier arbeitet, muss dafür nichts bezahlen – zumindest nicht mit Geld. Die rund 45 Menschen liefern Inhalte für ein Onlinemagazin, das DailyBreadMag. Mit ein bis zwei Artikeln pro Monat ist die Miete abgearbeitet, je nach persönlichem Schwerpunkt können es aber auch Videos oder Bilder sein, den Rest der Zeit kann man sich eigenen Projekten widmen. Da ist etwa eine Foodbloggerin, ein Instagrammer, der Unternehmen berät oder eine freie Autorin, die auch für einen Berlin-Blog schreibt. Sie alle haben eines gemeinsam – sie machen Content für das Internet. Auf ihren eigenen Blogs, auf diversen Plattformen – und eben für das hauseigene digitale Magazin. Zum Teil sind darunter auch Content Creators, wie man sie im Haus nennt, die große Reichweiten mitbringen.

„Das DailyBreadMag ist ein Nischenmagazin, das sich um den digitalen Wandel dreht“, sagt Maria Ebbinghaus, Projektmanagerin der Blogfabrik. Ein Medium, das weniger als Träger für Werbung gedacht ist, sondern vor allem als Marketingtool. „Ein Portfolio nach außen, um zu zeigen, dass wir tolle Leute haben.“ Auf diese Weise kommt man über die eigene Inhouse-Agentur auch zu Aufträgen von externen Kunden – und kann diese gleich an die Leute im Haus weitergeben. In diesem Fall ist der Coworking Space vor allem eine Trägerrakete, um Menschen aus dem digitalen Bereich zu versammeln. Auf sie kann man dann zurückgreifen, wenn es Aufträge oder Projekte gibt, bei denen sie mit ihren Fähigkeiten hilfreich sein können. Ebbinghaus sieht die Blogfabrik dann auch vor allem als einen Thinktank zum Thema Digitalisierung. Das war ebenso die Idee, die hinter der Gründung im Sommer 2015 stand.


Probieren in der digitalen Welt. Hinter der Blogfabrik steht die Münchner Melo Group, die sich vor allem dem Pressevertrieb widmet, also etwa dem Transport von Printprodukten zum Einzelhandel. Die Erfahrungen, die man dort mit der Distribution im analogen Bereich hatte, wollte man nun auch in der digitalen Welt schaffen. Mit dem Unternehmen im Hintergrund kann man viel ausprobieren und neue Einnahmeströme erschließen. Die jungen Medienschaffenden bekommen dafür die Infrastruktur zur Verfügung gestellt – nicht nur einen Tisch für den Laptop und WLAN, sondern auch Schnittplatz, Fotostudio, einen Konferenzraum und Rückzugsorte zum lockeren Reden zwischendurch.

Das alles sind letztlich Dinge, die es – in mehr oder weniger großem Umfang – auch in anderen Coworking Spaces gibt. Was die Blogfabrik deutlich von anderen unterscheidet, ist unter anderem die Bezahlung des Arbeitsplatzes durch Content, die Arbeit am gemeinsamen Magazin. Und dass sich hier auch so etwas wie eine Firmenidentität herausbildet, dass sich nämlich die Menschen, obwohl Freelancer oder Teil kleiner Unternehmen, ebenso als Teil der Blogfabrik sehen. Und nicht zuletzt verläuft auch die Zusammensetzung nach anderen Kriterien. Denn während in den meisten Coworking Spaces Interessierte einfach durch Zahlung der Miete dabei sind, müssen sie sich hier für ihren Platz bewerben. Quasi über allem schwebt der Gedanke, dass man so auch ein Team für eigene Aufträge beisammen hat.

Es ist ein Modell, das sich weg von den Ursprüngen der Coworking Spaces bewegt. „Das Urkonzept war das Café“, sagt Tobias Schwarz, Coworking Manager des St. Oberholz in Berlin Mitte. Menschen, die das kostenlose WLAN nutzen und dabei nicht zum laufenden Konsum gezwungen werden. Und quasi als Nebenerscheinung entsteht dabei eine Community – man vernetzt sich mit Menschen aus teilweise völlig unterschiedlichen Bereichen und erfährt, womit diese sich gerade beschäftigen. Für Schwarz spielt vor allem ein Begriff eine große Rolle, die Serendipität. Dahinter versteckt sich die zufällige Beobachtung von etwas, nach dem man ursprünglich nicht gesucht hat. Genau das mache das Coworking aus, deshalb sieht er es als so befruchtend an.


Café als Einstiegsdroge. „Im Home-Office hat man Freiheit“, meint Schwarz. Ein Büro bringe Struktur. Cafés wiederum schaffen Community. Und Coworking Spaces, so die These, vereinen all das in sich, er spricht auch vom „vierten Ort der Arbeit“. Das St. Oberholz hat, quasi als Einstiegsdroge, ein Café, in dem die Gäste in der Regel vor geöffneten Laptops sitzen. Das ist vor allem für jene interessant, die am Beginn stehen und noch kein Geld für die Miete – ein Arbeitsplatz kostet pro Monat 190 Euro – zur Verfügung haben.

Der Bedarf an solchen Arbeitsplätzen ist in Berlin groß. Es gibt viele Start-ups, die Raum und Infrastruktur brauchen. Freelancer haben in der Regel auch kein Problem, einen Platz im St. Oberholz zu bekommen. Bei kleinen Teams, die auf der Suche nach Büros sind, macht Schwarz aber eine Einschränkung – Stichwort Serendipität: „Da arbeite ich die Warteliste nicht chronologisch ab – sondern so, dass da auch etwas Überraschendes zusammenkommt.“

Lexikon

Coworking Spacesstellen gegen eine Gebühr Arbeitsplätze und Infrastruktur zur Verfügung. Vor allem Freiberufler und Start-ups nehmen dieses Angebot in Anspruch.

Berlin ist einer der wichtigsten Orte für die Coworkingszene, hier gibt es mehr als hundert solcher Räume. Eine Übersicht bietet der Berliner Senat im Web an: http://goo.gl/4nqe3s

Blogfabrik
www.blogfabrik.de

St. Oberholz
sanktoberholz.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2016)

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