Von der Jugendbande zur organisierten Kriminalität

Archivbild: Mitglieder der sogenannten Goldenbergs vor Gericht
Archivbild: Mitglieder der sogenannten Goldenbergs vor GerichtAPA/HERBERT NEUBAUER
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Das Phänomen der Jugendgangs der 1980er feiert eine Renaissance. Vor allem tschetschenische Jugendliche werden für die Mafia sozialisiert.

Schutzgelderpressungen, Drogenhandel und Auftragsschläger – die Handlanger der Wiener Mafia, die von Türken und Serben dominiert wird, sind nicht selten Tschetschenen. Doch jeder fängt einmal klein an: Derzeit erleben die Jugendbanden, ein Phänomen der 1980er-Jahre, eine Renaissance. Sie dienen als Nachwuchsschmiede für kriminelle Organisationen.

Vor allem tschetschenische Gangs machen der Wiener Polizei seit Längerem zu schaffen. Nicht zuletzt wurde darum eine Sondereinheit eingerichtet, die sich intensiv mit dieser Gruppe auseinandersetzt und bereits erste Erfolge verzeichnen konnte.

Erst vor wenigen Wochen gab es mehrere Verhaftungen rund um eine Jugendbande, die sich selbst „Wölfe“ nennt. Der Wolf ist das Wappentier Tschetscheniens. Seit einiger Zeit machen sie die Brigittenau rund um die Millennium-City unsicher und terrorisieren Menschen im und um das Einkaufszentrum.

So belästigten die selbst ernannten Sittenwächter etwa im März einige Mädchen, die ihrer Meinung nach nicht züchtig genug gekleidet waren. Als diese sich weigerten, wie befohlen nach Hause zu gehen, kam ihnen ein Mann zur Hilfe. Dieser wurde daraufhin brutal zusammengeschlagen – ein ähnlicher Vorfall ereignete sich wenige Wochen zuvor, als ein Familienvater einer Frau und deren Tochter zur Hilfe eilen wollte.

Vier junge Männer, die im Internet mit Waffen posierten, standen vergangene Woche wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht und fassten Schuldsprüche aus. Einer der Angeklagten attackierte beim Prozess einen ORF-Kameramann mit den Worten: „Wenn du mich filmst, dann finde ich dich.“

Die Millennium-City verstärkt laufend ihr Sicherheitspersonal: Nicht zuletzt, weil es zu einer Massenschlägerei zwischen Afghanen und Tschetschenen mit mehreren Schwerverletzten in der Nähe des Zentrums gekommen ist.

Auch das Einkaufszentrum Lugner City (Rudolfsheim-Fünfhaus) hat Probleme mit Gangs: Dort ist das Revier der Gang VDK (Vogelweidpark) – es kam im April 2014 zu einer Schießerei auf offener Straße. Die Gang übt sich sonst in Kleinkriminalität wie Handydiebstählen und Einbrüchen – aber auch Raubüberfälle gehören zum Repertoire.

Capo sitzt in Haft

Der größte Coup gegen eine tschetschenische Jugendgang gelang der Polizei im Sommer vergangenen Jahres. In einer groß angelegten Aktion wurden etliche Mitglieder der bis dahin größten tschetschenischen Bande in Wien verhaftet. Die sogenannten Goldenbergs zählten laut Angaben der Polizei rund 150 Jugendliche und junge Erwachsene – 33 davon wurden wegen schweren Raubs, schwerer Körperverletzung, Diebstahls und anderer Delikte angezeigt. In drei separaten Verfahren wurden die Delikte abgehandelt. Der Kopf der Bande, der 21-jährige Magamed M., der sich selbst Max Goldenberg nannte, wurde zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Die Gangs

Die Wölfe. Die Bande junger Tschetschenen umfasst rund 20 Mitglieder, Tendenz steigend. Sie terrorisieren Gäste in der Millennium-City und treten als eine Art Sittenwächter auf.

VDK. Das Revier der Gang ist rund um die Lugner City. Ihr Hauptgeschäft: Taschendiebstähle und Einbrüche. Es kam zu einer Schießerei auf offener Straße.

Goldenberg. Ihr Revier ist in Favoriten. Die Gang umfasst rund 150 Mitglieder. Die Köpfe der Bande wurden vergangenen Sommer verhaftet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2016)

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