Wenn Hofer und Van der Bellen alleine sind

Es gab nur ein wenig Wasser zum Abkühlen der hitzigen Diskussion
Es gab nur ein wenig Wasser zum Abkühlen der hitzigen Diskussion(c) APA (HANS PUNZ)
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Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen debattierten 45 Minuten lang auf ATV - ohne Regeln. Heraus kamen der Vorwurf, "nie in der Wirtschaft gearbeitet" zu haben, ein "Scheibenwischer" und zwei "Blamierte".

Zwei, die auszogen, um die Regeln der gesitteten Diskussion überzustrapazieren. Diesem Leitspruch schienen die Kandidaten um das höchste Amt im Staat, Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen, zumindest im zweiten Teil der ATV-Fernsehdiskussion „Meine Wahl“ am Sonntagabend zu folgen. Dabei hätte das Format – zwei Kandidaten in einem Raum, ohne Moderation – einiges zu bieten gehabt. So wurden dem freiheitlichen Chefideologen und dem einstigen Grünen-Bundessprecher 45 Minuten Sendezeit gegeben, um vor einem weißen Vorhang über all das zu sprechen, was ihnen am (politischen) Herzen liegt.

In den ersten 20 Minuten schien das Konzept aufzugehen: Van der Bellen nannte den Urnengang am 22. Mai in sachlichem Ton eine „Richtungsentscheidung zwischen einem kooperativen und einem autoritären Stil“ und warnte vor einem Bundespräsidenten, der „die Regierung entlässt, wenn sie nicht spurt“. Der Dritte Nationalratspräsident (der seinem Kontrahenten das erste Wort überlassen hatte) sah darin ein unnötiges Schüren von Ängsten in der Bevölkerung. Dass Van der Bellen eine freiheitliche Regierungsbeteiligung verhindern wolle, entspreche nicht dem Wesen einer Demokratie.

Von der Demokratie in ihrer direkten Form will Hofer übrigens mehr. Immerhin, und das stehe ja auch auf seinen Plakaten, gehe „das Recht vom Volk aus“. Van der Bellen hingegen habe wohl die Absicht „ein Lebensverlängerer des Systems“ zu werden. Dieser konterte, in den vergangenen 70 Jahren sei nicht alles schlecht gewesen. Keinen gemeinsamen Nenner fanden die beiden auch in puncto Europäische Union. Geht es nach dem Freiheitlichen, solle sich diese mit zentralen Fragen beschäftigen, wie einheitlichen Sicherheitsstandards bei Atomkraftwerken, und nicht mit „Traktorsitzen“. Van der Bellen nannte die EU das „größte Friedensprojekt“, das zudem zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen habe. „Ich möchte ein föderales Europa, und Sie Vereinigte Staaten von Europa, wo Sie nur noch Landeshauptmann werden könnten“, zog Hofer sein Fazit.

„Sie haben noch nie in der Wirtschaft gearbeitet“

Dominierte bisher ein bemüht ruhiger Umgang mit vereinzeltem Kopfschütteln, wich der beim Thema der jeweiligen Unterstützer einem Verbalscharmützel: Van der Bellen gefiel es nicht, dass Hofer von Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National, unterstützt werde. Der 45-Jährige unterstellte ihm daraufhin, gelogen zu haben, da sich Van der Bellen als unabhängiger Kandidat präsentiere, obgleich er von den Grünen unterstützt wird. Der Professor fiel dazwischen: „Das ist klagbar.“ Hofer unbeeindruckt: „Sie können mich gerne klagen.“

Als der Vize-FPÖ-Chef seinem Mitbewerber vorwarf, kein Kandidat des Volkes zu sein, wurde es noch hitziger. Denn schon die Zusammensetzung von Van der Bellens Personenkomitee, in dem sich auch Oscar-Gewinner Christoph Waltz findet, zeige laut Hofer: „Sie sind ein Kandidat der Schickeria, ich bin ein Kandidat der Menschen.“ Van der Bellen gab dem früheren Lauda-Air-Mitarbeiter zurück: „Sie verstehen nichts von Wirtschaftspolitik.“ Dieser konterte umgehend: „Sie haben noch nie in der Wirtschaft gearbeitet.“

Von Kreisky zum „Scheibenwischer“

In die Fußstapfen historischer Vorgänger konnten Hofer und Van der Bellen mit ihrem Auftritt nicht treten. So zumindest befanden das die Politikexperten Peter Hajek (Public Opinion Strategies) und Thomas Hofer (H&P Public Affairs) im Anschluss an die Debatte auf ATV. Zur Erinnerung: Vor vier Jahrzehnten, im September 1975, saßen sich Bruno Kreisky (SPÖ) und Josef Taus (ÖVP) ebenfalls von (damals allerdings ORF) Moderatoren und Vorgaben alleine gelassen gegenüber. Unvergessen blieb davon die Szene, in der Kreisky seinen Herausforderer maßregelte: „Schaun S’, Herr Doktor Taus. Tun S’ mich net schulmeistern. Das ist so gouvernantenhaft!“

Zwar versuchte Hofer daran anzuknüpfen, als er Van der Bellen vorwarf, „oberlehrerhaft“ und „so aggressiv“ zu sein und ihm ständig „nachzuplappern“. Doch seinen eingangs erwähnten Vorsatz – „Wir versprechen, dass wir uns gut benehmen werden“ – konnte er damit nicht wahrmachen. Jedoch verpasste es auch sein Gegenspieler, diesen Punkt für sich zu gewinnen, als er dem gebürtigen Burgenländer den „Scheibenwischer“ zeigte und mehrmals ausrief: „Wovon reden Sie eigentlich?“

Das alles fasste der Politologe Hofer schlussendlich folgendermaßen zusammen: „Beide blamiert, Amt beschädigt.“ Es sei bedauerlich, dass keiner der beiden Diskutanten Anstalten gemacht habe, das untergriffige Gesprächsniveau verlassen zu wollen. Ganz nüchtern betrachtet kam FPÖ-Kandidat Hofer übrigens auf 23 Minuten Redezeit, sein Kontrahent Van der Bellen konnte 22 Minuten verbuchen. 

Reichweitenstärkste Eigenproduktion von ATV

Für ATV selbst handelte es sich laut Angaben des Senders um die reichweitenstärkste Eigenproduktion seiner Geschichte. Demnach verfolgten 432.000 Zuseher über zwölf Jahre das unmoderierte Duell zwischen Hofer und Van der Bellen, 447.000 die anschließende Analyse. 

>>> „Meine Wahl“-Duell auf ATV

>>> TV-Duell Kreisky gegen Taus (1975)

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