Iran: Ahmadinejads plötzliche „Milde“

(c) AP (Arash Khamushi)
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Der umstrittene Präsident fordert die Freilassung der verhafteten Demonstranten. Nach Berichten iranischer Medien wurden insgesamt zwischen 1000 und 2000 Menschen verhaftet, auch Oppositionspolitiker und Dissidenten.

Teheran (DPA, AFP, APA, red.). Man erkennt ihn kaum wieder, Irans Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad – zumindest, was seine Wortwahl betrifft: Der Hardliner fordert nun plötzlich „islamische Milde“ für jene inhaftierten Demonstranten, „die sich von hiesigen politischen Tendenzen und ausländischen Feinden provozieren ließen und dementsprechend unbewusst gehandelt haben“.

Der Präsident verlangte, dass alle Demonstranten – die ja deshalb verhaftet wurden, weil sie gegen Ahmadinejads umstrittenen Wahlsieg Mitte Juni demonstriert hatten – bis 7. August freigelassen werden. An diesem Tag wird der Geburtstag des Mahdi gefeiert, jenes letzten der zwölf schiitischen Imame, dessen erhoffte messianische Wiederkehr im Zentrum des schiitischen Glaubens steht.

Nach Berichten iranischer Medien wurden insgesamt zwischen 1000 und 2000 Menschen verhaftet, darunter nicht nur Demonstranten, sondern auch Oppositionspolitiker und Dissidenten. Unter jenen 140 Gefangenen, die vom Regime als Zeichen guten Willens am Dienstag aus dem berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis freigelassen wurden, befand sich laut Berichten der regimekritischen Zeitung „Etemad Melli“ keiner der festgenommenen Reformpolitiker. Mehr noch, einige von ihnen wurden offenbar aus Teheran in ein Gefängnis in der zentraliranischen Stadt Isfahan verlegt.

Auf freien Fuß gesetzt wurde gegen eine Kaution von rund 35.000 Euro dafür die prominente Frauenrechtlerin Shadi Sadr, deren Verhaftung international Proteste hervorgerufen hatte.

Druck auf Ahmadinejad wächst

Eine erste Gruppe von rund 20 Demonstranten soll am Samstag vor Gericht gestellt werden. Die Anklage wirft ihnen Bombenanschläge, den Besitz von Feuerwaffen und Granaten sowie Kontakt zur verbotenen Untergrundgruppe „Volksmujahedin“ und westlichen Medien vor. Diejenigen, in denen das Regime die „Anstifter“ der Proteste sieht, sollen erst später vor Gericht gestellt werden.

Schon am Donnerstag könnten sich die Gefängnisse indes wieder füllen, denn die Oppositionsführer Mir-Hossein Moussavi und Mehdi Karrubi halten trotz Verbots an ihrer geplanten Trauerkundgebung für die getöteten Demonstranten fest, deren Zahl offiziell mit 20 angegeben wird. Da die Verfassung friedliche Kundgebungen zulasse, bedürfe es keiner Zustimmung des Innenministeriums, ließ Moussavi auf seiner Internetseite ausrichten.

Ahmadinejad gerät derweil auch im konservativen Lager immer stärker unter Druck. Auslöser war die inzwischen zurückgenommene Ernennung des mit ihm verschwägerten Esfandiar Rahim Mashaie zu seinem ersten Stellvertreter. Mashaie hat sich wegen einer israelifreundlichen Äußerung bei den Hardlinern diskreditiert. Ahmadinejad hatte ihn erst auf harschen Befehl des religiösen Führer Ali Khamenei entlassen.

„Ahmadinejad muss sich beim Volk entschuldigen“, titelte eine ultrakonservative Zeitung. Falls er sich nicht bessere, „fordern wir unsere Stimmen zurück, denn wir haben nicht für eine Person gestimmt, sondern für die Prinzipien der islamischen Revolution und die Treue zum religiösen Führer.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2009)


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