Noch bevor die Noten fix sind, prüft der Volksanwalt die Matura. Während manche Schulen von vielen Fünfern berichten, gibt es an anderen Standorten Entwarnung.
Wien. Die zentrale Mathematikmatura fiel vielen Schülern offenbar eher schwer. Zumindest legen das erste Aussagen von Schülern, Eltern und Lehrern nahe. Demnach gebe es an manchen Gymnasien bei der Matura überdurchschnittlich viele Fünfer („Die Presse“ berichtete). Für Volksanwalt Peter Fichtenbauer reichen die kolportierten Resultate aus, um aktiv zu werden: Noch bevor die Noten fix sind – die Notenkonferenzen sind erst nächste Woche –, leitet er ein Prüfverfahren ein.
Weil bei der diesjährigen Matura in Mathematik außerordentlich hohe Durchfallquoten zu erwarten seien, nehme er sich der Sorgen der Eltern und Schüler an, heißt es von der Volksanwaltschaft. „Wenn ein beträchtlicher Teil der Schülerinnen und Schüler nicht etwa an mangelnder Fachkenntnis, sondern schlicht an den Prüfungsmodalitäten gescheitert sein könnte, gilt es, diese zu hinterfragen“, sagte Fichtenbauer. Geprüft werden soll unter anderem „die scheinbar unverhältnismäßige Schwierigkeit der Aufgaben“.
Laut einer Umfrage der Bundesschülervertretung fanden 70 Prozent der Maturanten die Klausur (sehr) schwierig. 40 Prozent der bis Donnerstag Nachmittag 3000 Teilnehmer der Online-Umfrage rechnen mit einem Fünfer in Mathematik. Mehr als die Hälfte gab an, dass die Übungsaufgaben von den tatsächlichen Maturaaufgaben abgewichen seien.
„Es hat viele gute Schüler getroffen“
Die Eltern der Maturanten am GRG15 in Wien waren die ersten, die in einem Brief an Bildungsressort und Bifie öffentlich Alarm schlugen. Noch seien die Noten nicht fix, es dürfte aber überproportional viele Fünfer geben, sagt Elternvereinsobfrau Claudia Jäger zur „Presse“. „Es hat viele getroffen, die über die ganze Schullaufbahn herausragende Leistungen erbracht haben.“ Die Maturavorbereitung sei gut gelaufen, es liege also weder an den Schülern, noch an den Lehrern – sondern an der Matura. „Es gab eine große Divergenz zwischen den Vorbereitungsbeispielen und den tatsächlichen Prüfungsfragen.“
Aus mehreren Schulbehörden hieß es gegenüber der Austria Presse Agentur, dass die Matura an einigen Gymnasien sehr schlecht ausgefallen sein dürfte. Es würden sich allerdings auch eher jene Schulen melden, an denen die Ergebnisse unterdurchschnittlich seien. AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin wurde sowohl von schlechten als auch von guten Maturaergebnissen berichtet. Letzteres trifft auf das Akademische Gymnasium in Wien zu. Mit etwa zwei Nicht genügend pro Klasse liege man im (sehr guten) Schnitt der vergangenen Jahre, sagt Schulleiter Meinhard Trummer im Gespräch mit der „Presse“.

Im Bifie-Institut gibt man sich relativ offen: „Wir hören von Standorten, wo die Matura furchtbar ausgefallen sein soll, von anderen, dass sie angemessen war beziehungsweise gut ausgefallen ist“, sagt Direktor Jürgen Horschinegg. Solange man keine validen Daten habe, fische man aber im Trüben. Die Aufgaben der Matura seien in Feldtests schon ein oder mehrere Male abgefragt worden. Und sie seien mit der gleichen Wahrscheinlichkeit gelöst worden wie die des Vorjahrs. „Wirklich wissen, wie die Aufgaben bei der Matura ankommen, tut man erst, wenn man sie gemacht hat. Ein Restrisiko hat man immer.“
Mathematiker Rudolf Taschner meinte in einer Einschätzung für die „Presse“: Einige Aufgaben im ersten Teil seien gefinkelt. Dieser testet die Grundkompetenzen und muss für eine positive Note bestanden werden. Taschner sagte aber auch: Das könne man Schülern durchaus zutrauen.
Heuer weniger Routineaufgaben
Der Mathematikdidaktiker Werner Peschek hält die diesjährige Matura objektiv nicht für schwieriger als jene im Vorjahr. „Vom Mathematischen her war sie sehr ähnlich“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. Ein möglicher Grund, warum sie manchen Schülern schwerer gefallen sein könnte: Es habe etwas weniger Routineaufgaben gegeben. „Das ist auch gut so. Aber das kann zur Folge haben, dass die Klausur für Schüler, die mehr auf Reproduktion geübt haben, schwieriger erscheint. Für jene, die mehr auf Verständnis geübt haben, macht es keinen Unterschied.“ Möglicherweise wäre also bei der Qualität des Übens noch Luft nach oben, sagt Peschek.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)