Russland und USA buhlen um Syriens Kurden

SYRIEN-LIBYEN KONFERENZ IN WIEN: LAWROW
SYRIEN-LIBYEN KONFERENZ IN WIEN: LAWROW(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Moskau will die dominierende Partei in Syrisch-Kurdistan international aufwerten – auch, um damit Ankara zu schaden. Washington bremst dabei, unterstützt zugleich aber den militärischen Arm der syrischen Kurden gegen den IS.

Sergej Lawrow lässt keine Gelegenheit aus, um seine Unterstützung für die Führung der syrischen Kurden kundzutun. „Die Vertretung der syrischen Kurden muss bei der nächsten Verhandlungsrunde in Genf mit dabei sein. Man kann sie nicht ausschließen“, bekräftigte der russische Außenminister erst diese Woche bei der Pressekonferenz nach den Syrien-Gesprächen in Wien. Moskau setzt sich vehement dafür ein, dass die Partei der Demokratischen Union (PYD) in die Friedensgespräche in der Schweiz eingebunden wird.

Die PYD ist dominierende Kraft in Syriens Kurdengebieten (Rojava). Das Verhandlungsteam der syrischen Opposition will die Partei aber in Genf nicht dabei haben. Es wirft ihr vor, mit Syriens Regime unter einer Decke zu stecken.

In den Wirren des syrischen Bürgerkriegs gelang es der PYD und den von ihr aufgestellten Volksverteidigungseinheiten (YPG), die Kontrolle über viele von Kurden bewohnte Städte Nordsyriens zu übernehmen. Die Regimetruppen zogen weitgehend kampflos aus den Kurdengebieten ab. Machthaber Bashar al-Assad brauchte zu dieser Zeit seine Soldaten, um gegen die Rebellengruppen vorzugehen, die in Städten wie Homs, Hama und Damaskus das Ende seiner Herrschaft verlangten.

Lang schien es eine Art Stillhalteabkommen zwischen Syriens Armee und den kurdischen Einheiten zu geben. Zuletzt kam es aber in den Städten Qamishli und Hasakah zu Scharmützeln zwischen den YPG und Regimekräften.

Auch eine wichtige Unterstützerin der syrischen Rebellen ist strikt gegen eine Teilnahme der syrisch-kurdischen PYD an den Genfer Verhandlungen – und zwar die türkische Regierung. Ankara hat zuletzt alles unternommen, um das kurdische Autonomieprojekt in Nordsyrien scheitern zu lassen. Denn die PYD und die YPG-Volksverteidigungseinheiten sind Schwesterorganisationen der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, die einen Untergrundkrieg gegen den türkischen Staat führt.

Luftangriffe und Nachschub

Auch aus Rücksicht auf die Türkei hat Washington – im Gegensatz zu Moskau – zwar bisher nicht auf einer Teilnahme der PYD an den Genfer Gesprächen bestanden. Doch zugleich wird der bewaffnete Arm der Kurdenpartei, die YPG, von Washington militärisch unterstützt. Die YPG haben sich nämlich als eine der wirkungsvollsten Waffen gegen die Extremisten des sogenannten Islamischen Staats (IS) erwiesen. Die USA fliegen Luftunterstützung für die YPG und lassen ihnen Waffen zukommen. Zudem gibt es Pläne für den Bau einer US-Militärbasis im Osten von Rojava.

Am Mittwoch meldete das Nachrichtenportal Kurdistan24 unter Berufung auf syrisch-kurdische Politiker, dass der US-Gesandte für die Anti-IS-Koalition, Brett McGurk, tags zuvor die Stadt Kobane besucht habe, um mit Anführern der PYD und YPG zusammenzutreffen. Die USA wollten das zunächst aber nicht bestätigen.

Die USA brauchen die militärisch erfolgreichen kurdischen Kräfte in Syrien, um dem IS beizukommen. Aber auch Russland ist an einem Bündnis mit PYD und YPG interessiert. Moskau sieht darin ebenfalls militärische Vorteile. Und obendrein kann es mit seiner Hilfe für YPG und PYD die Türkei provozieren und sogar strategisch unter Druck setzen. Bereits im Februar durfte die PYD ein Verbindungsbüro in Moskau eröffnen.

Syriens Kurden haben es geschafft, derzeit von beiden Großmächten zugleich umgarnt zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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