Österreich will EU-internen Investorenschutz

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Fünf Länder forcieren innerhalb der EU einen ähnlichen Schutz für Investoren wie er derzeit für das Abkommen mit den USA vorgesehen ist. Die Streitbeilegung könnte bei einem ständigen Schiedsgericht erfolgen.

Wien. Was im Rahmen von TTIP für heftige Debatten sorgt, könnte bald auch innerhalb der EU Realität werden. Zumindest wenn es nach dem Willen von fünf Mitgliedstaaten – darunter Österreich – geht. Sie fordern in einem von der globalisierungskritischen Organisation Attac geleakten Vorstoß einen EU-internen Investorenschutz mit Schiedsgerichtsoption. Der Vorschlag wurde in einem sogenannten Non-Paper bereits am 7. April den anderen Mitgliedstaaten in einer Ratsarbeitsgruppe übermittelt. Das Wirtschaftsministerium bestätigt die Existenz eines solchen Papiers. Ein Sprecher von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner verweist allerdings darauf, dass es sich um kein Geheimdokument handle. Es sei für alle nationalen Abgeordneten einsehbar. Und auch der Inhalt sei nicht so aufregend.

Kern des Vorstoßes ist der Ersatz von rund 200 bestehenden bilateralen Investitionsschutzabkommen durch eine einheitliche Regelung. Auch Österreich hat laut Wirtschaftsministerium derzeit zwölf solche Abkommen in Kraft. Sie bieten einen Rechtschutz für österreichische Unternehmen in Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. So wie bei TTIP sehen die Abkommen die Möglichkeit vor, Streitigkeiten vor Schiedsgerichten zu lösen, wenn ein Investor mit Diskriminierungen durch den Partnerstaat konfrontiert sein sollte.

Während Attac von „Sonderrechten für Konzerne“ spricht, argumentiert das Wirtschaftsministerium mit einer notwendigen Absicherung. Es gehe um einen „modernen EU-weiten Investorenschutzmechanismus“. Neben Österreich setzen sich auch Deutschland, Frankreich, Finnland und die Niederlande dafür ein, dass Investoren innerhalb der Union Klagerechte behalten. Das Verfahren müsste aber nicht wie bisher bei den umstrittenen privaten Schiedsgerichten abgehalten werden, sondern „könnte bei einem Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag angesiedelt werden“, heißt es auf Anfrage der „Presse“. Laut dem Papier sei auch eine Integration in den Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder die Etablierung eines eigenen EU-Gerichts nach Vorbild des Einheitlichen Patentgerichts möglich.

Schutz oder Fluch

Attac ist dennoch gegen eine solche Vereinheitlichung. Die Organisation warnt vor einer Bevorzugung von internationalen Investoren gegenüber nationalen und regionalen Unternehmen. Außerdem könnte dadurch die Sozial-, Umwelt oder Gesundheitsgesetzgebung der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden. „Anscheinend sind TTIP und Ceta noch nicht genug, die Regierungen treiben immer weiter eine Handelspolitik im Interesse der Konzerne voran“, so Alexandra Strickner von Attac. Sie fordert von Wirtschaftsminister Mitterlehner, „diesem Vorschlag umgehend die Unterstützung zu entziehen“. Laut Attac haben auch österreichische Unternehmen bereits umstrittene Klagen gegen Partnerländer eingebracht. So hätte etwa die EVN 2013 Bulgarien wegen der Abgeltungstarife für erneuerbare Energie vor ein Schiedsgericht gebracht.

Befürworter eines Investorenschutzes argumentieren, dass Unternehmen vor Willkür und Diskriminierung geschützt werden müssen, wenn sie neue Standorte aufbauen und damit Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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