Van der Bellen: "Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere"

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Van der Bellen: "Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere"(c) APA/AFP/DIETER NAGL (DIETER NAGL)
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Alexander Van der Bellen ist Bundespräsident. 31.026 Stimmen lag er am Ende vor seinem Kontrahenten Norbert Hofer. Das sind 50,3 Prozent der Stimmen.

Wien. Das Ambiente entsprach dem, was die Freiheitlichen unter Hautevolee verstehen. Im noblen Palais Schönburg im vierten Wiener Bezirk trat der designierte Bundespräsident um 18 Uhr vor die Presse: „Österreich hat bewegte Stunden hinter sich“, sagte Van der Bellen im weitläufigen Garten des Palais. Der 72-Jährige gab sich staatsmännisch, kündigte in guter Tradition an, als Bundespräsident überparteilich agieren zu wollen und seine Mitgliedschaft bei den Grünen umgehend niederzulegen.

Die Gräben, von denen nun die Rede sei, hätten schon länger bestanden, diese werde man sich nun genauer ansehen müssen, so Van der Bellen. Es sei viel gestritten worden in den vergangenen Wochen – aber das sei auch ein gutes Zeichen für das politische Interesse. Viele Leute in diesem Land würden sich nicht ausreichend wahrgenommen fühlen. Mit den realen Sorgen und auch dem Zorn mancher Menschen werde man sich beschäftigen müssen. „Österreich ist ein großes Land“, meinte Van der Bellen. „Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere“, spielte er auf das knappe Wahlergebnis an.
Der Medienandrang war groß. Ein Rai-Kommentator fuchtelte aufgeregt mit dem Mikrofon herum, während der neue Präsident einzelne Journalisten höflich mit einem Handshake bedachte. In emotionaler Aufwallung umarmte ihn sogar einer.

Vor dem Palais Schönburg nahm der designierter Präsident dann noch ein kleines Bad in der Menge – zögerlich, schmunzelnd und zaghaft winkend, wie es seine Art ist. Eine Menschentraube hatte sich um ihn geschart, Handys waren in die Höhe gestreckt, um ein Foto zu erhaschen von dem historischen Moment – dem ersten Auftritt eines grünen Bundespräsidenten.

Als Hofers Vorsprung schmolz

Im Lauf des Tages war der Vorsprung Norbert Hofers sukzessive dahin geschmolzen. 144.006 Stimmen war der Freiheitliche am Sonntagabend noch vorn gelegen. Kurz vor 15.30 Uhr am Montag war es dann so weit: Van der Bellen hatte Hofer erstmals überholt. Und daran sollte sich nichts mehr ändern. Im Palais Schönburg wurde gejubelt, Alexander Van der Bellens Mitarbeiter fielen einander um den Hals. Wenig später waren die Briefwahlstimmen zur Gänze ausgezählt. Innenminister Wolfgang Sobotka verkündete das offizielle Endergebnis. Alexander Van der Bellen lag am Ende um 31.026 Stimmen vorn. Das sind 50,35 Prozent der Stimmen, Norbert Hofer erreichte 49,65 Prozent.

Sonntagabend im Palais Auersperg

Gefeiert ist bei den Grünen schon am Sonntagabend bei der Wahlparty im Palais Auersperg worden. Wiederum Hautevolee sozusagen. Auch viele Sozialdemokraten – von Christian Oxonitsch über Eugen Freund bis Tanja Wehsely – feierten mit. In die entspannte, fast schon euphorische Stimmung mischten sich aber auch kritische Töne in Richtung ORF. Dieser hätte den Sieg fast noch gefährdet. Denn die FPÖ sei in der Vorwoche de facto demobilisiert gewesen und mit ihren Themen nicht mehr durchgekommen, da sei der ORF mit seiner „nicht wasserdichten“ Israel-Geschichte dahergekommen und habe es der FPÖ ermöglicht, noch einmal die Schlagzeilen zu dominieren und sich als Opfer zu stilisieren, hieß es bei den Grünen.

Armin Wolf: „Wahrheit in der Mitte“

„Laut den Grünen hat das Thema Herrn Hofer geholfen. Laut FPÖ hat es Herrn Hofer geschadet. Ich vermute, in dem Fall liegt die Wahrheit ausnahmsweise einmal wirklich in der Mitte“, sagt „ZiB 2“-Moderator Armin Wolf dazu. Dieser hatte den von Norbert Hofer in etlichen Interviews geschilderten Terrorangriff mit einer erschossenen Frau auf dem Tempelberg in Jerusalem mit ihm als Augenzeugen nachrecherchiert und wollte das Ergebnis auf seiner Facebook-Seite veröffentlichen.

Im ORF entschied man dann jedoch, diese Geschichte lieber auf Sendung, im TV-Duell zwischen Hofer und Van der Bellen, zu thematisieren. Ingrid Thurnher, die das nach mehreren übereinstimmenden Informationen aus dem ORF gar nicht wollte, konfrontierte Norbert Hofer dann live auf Sendung damit: Ein israelischer Polizeisprecher sagte, dieser von Hofer geschilderte Vorfall habe nicht stattgefunden. Wie sich später herausstellte, gab es jedoch einen anderen – harmloseren – Vorfall unterhalb des Tempelbergs. Dabei war eine jüdische Frau, die sich verdächtig verhalten hatte, angeschossen worden.

Feier auch auf dem Heldenplatz

Letztlich hat Van der Bellen dann jedoch auch so gewonnen. Und die Grünen feierten wieder – oder besser gesagt: weiter. Am Montagabend taten sie – in erster Linie junge Leute – das im Museumsquartier und dann auch noch vor der Hofburg zwischen Ballhausplatz und Heldenplatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2016)

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