Hofer siegt in fünf Ländern, Van der Bellen in Städten

Archivbild: Wahlplakate der beiden Kandidaten
Archivbild: Wahlplakate der beiden KandidatenREUTERS
  • Drucken

FPÖ-Kandidat Hofer war besonders in landwirtschaftlich geprägten Regionen erfolgreich. Weshalb Wien, Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich Van der Bellen wählten und der Rest Blau.

Wien. Norbert Hofer hat die Mehrheit hinter sich – die Mehrheit der neun Bundesländer. In fünf Bundesländern hat der österreichweit gescheiterte FPÖ-Kandidat gewonnen. Und zwar im Burgenland, in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark. Alexander Van der Bellen hat Wien, Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich hinter sich. Die zwei Letzteren hat sich der grüne Kandidat ebenso wie die Präsidentschaft erst am Montag bei der Auszählung der Briefwahlstimmen gesichert. Hier die Ergebnisse und Hintergründe der Wahlentscheidung in den Ländern. Wien ist anders: Der Slogan hat sich bewahrheitet (>> Zum Artikel: "Das blaue Wiener Waterloo").

  • Abseits der Millionenstadt hat Vorarlberg das auffälligste Länderergebnis. Nirgendwo sonst hat sich die Karte so grün eingefärbt: 58,6 Prozent haben Alexander Van der Bellen gewählt. Bereits im ersten Wahlgang war Van der Bellen in Vorarlberg überdurchschnittlich stark. Irmgard Griss holte im Ländle ihr bestes Ergebnis. Auch das half Van der Bellen. Denn zwei Drittel ihrer Wähler wechselten zu ihm.

    Das Vorarlberger Wahlverhalten ist durch die geografische Lage und Struktur des Landes geprägt. Teile des Rheintals, in dem insgesamt mehr als 230.000 Menschen leben, zählen aufgrund der geringen Fläche zu den am dichtesten besiedelten Regionen Europas. „Man kann es als Stadtregion werten. Das Gefälle zwischen Stadt und Land gibt es also auch hier“, sagt Günther Ogris vom Meinungsforschungsinstitut Sora zur „Presse“. Den Vorarlbergern wird wohl auch wegen ihrer Außengrenzen eine gewisse Weltoffenheit nachgesagt. Auch der Tourismus prägt. „Ländliche Gebiete mit starkem Tourismus, wie jene im Westen Österreichs, sind weltoffener und freuen sich über die Internationalisierung. Landwirtschaftlich geprägte Regionen, wie die im Osten, fühlen sich bedroht.“

    Auch die wirtschaftliche Struktur des Landes ist entscheidend – konkret die hohe Anzahl der Klein- und Mittelbetriebe. „Es gibt viele Kleinunternehmer und Familienbetriebe und weniger klassische Arbeiter. Das sind moderne Unternehmen“, sagt Ogris. Auch der vergleichsweise hohe Anteil von Österreichern mit türkischem bzw. exjugoslawischem Migrationshintergrund, die im Ländle leben, könnte das Wahlverhalten beeinflussen.
  • Auffallend ist auch das Wahlergebnis im Burgenland – auffallend blau nämlich. In lediglich etwas mehr als einer Handvoll burgenländischer Gemeinden steht Alexander Van der Bellen an der Spitze. Eisenstadt ist nun doch eine davon. Durch die Briefwahl hat er sich auch noch in der letzten Landeshauptstadt die Mehrheit gesichert.

    Dennoch war die Wahl im Burgenland für Hofer ein Heimspiel. „Der lokale Kandidat hat stark gepunktet“, sagt Ogris. Dabei dürfte auch geholfen haben, dass die burgenländische SPÖ nicht gegen ihn kampagnisiert hat. Die Hemmschwelle, Blau zu wählen, ist spätestens seit der burgenländischen Landtagswahl und der Bildung einer rot-blauen Koalition gesunken. Der blaue Erfolg hat aber auch mit der Schwäche der Grünen im Burgenland zu tun. Schon im ersten Wahlgang fuhr Van der Bellen dort sein schlechtestes Ergebnis ein.

    Bei der Nationalratswahl 2013 war der grüne Stimmenanteil im Burgenland nur halb so groß wie im Österreichschnitt. Den Grünen fehlt im Burgenland eine mobilisierungsstarke Parteibasis. Auch die Bevölkerungsstruktur dürfte sich auswirken. „Die Burgenländer, die Grün wählen, wohnen in Wien und Wien-Umgebung“, sagt Ogris. Unter den Burgenländern, die es fortzieht, seien vor allem Junge. Und darunter wiederum viele Frauen. Allesamt Wählergruppen, die überdurchschnittlich häufig Grün wählen.
  • Die Briefwahl brachte in Oberösterreich die Wende: Am Sonntagabend lag Hofer mit 50,7 Prozent vorn. Schlussendlich siegte Van der Bellen mit 51,3 Prozent. Einen Achtungserfolg fuhr der Grüne in Wels ein. In der seit den Kommunalwahlen im September 2015 von Rot nach Blau umgefärbten Stadt stimmten 51,8 Prozent für Van der Bellen.

    Die grünen Bezirke sind in Oberösterreich stark regional konzentriert (siehe Grafik). Van der Bellen gewann neben Wels auch in Linz und Steyr. Das rote Salzkammergut wählte ebenso Grün. Das passt ins Bild: Denn fast sieben von zehn Wählern des SPÖ-Kandidaten wechselten zu Van der Bellen. Außerdem ist das Salzkammergut die touristischste Region. Auch im traditionell schwarzen Mühlviertel konnte Van der Bellen gewinnen. Hier dürfte die Nähe zu Linz und dem oberösterreichischen Zentralraum entscheidend sein. Das Innviertel hat sich wiederum als blaues Kernland bestätigt.
Die Presse Grafik
  • Auch in Tirol stellte die Briefwahl das Ergebnis noch einmal auf den Kopf. Mit 51,4 Prozent gewann schlussendlich Van der Bellen. Ähnlich wie in Vorarlberg dürfte auch hier der Tourismus prägend sein. Neben der Landeshauptstadt, Innsbruck, und deren Umgebung ging Van der Bellen auch in den Bezirken Landeck und Reutte als Sieger hervor. Also in den beiden westlichsten Bezirken Tirols, die jeweils an Vorarlberg grenzen. In Landeck liegt auch die Heimatgemeinde des ehemaligen Grünen-Chefs, das Kaunertal, in dem er aufgewachsen ist und sein bestes Ergebnis erzielte. Dort entfielen 235 der 277 abgegebenen Stimmen (85,1 Prozent) auf Van der Bellen.

  • Erwin Prölls (ÖVP) Reich ist – wie ganz Österreich – deutlich zweigeteilt. Die Mehrheit der 573 niederösterreichischen Gemeinden entschied sich für den FPÖ-Kandidaten, Norbert Hofer. Die Mehrheit der ländlichen, von Landwirtschaft geprägten Gemeinden. Je größer, je städtischer, desto eher neigen die Stimmbürger zu Alexander Van der Bellen, besonders auch nach Auszählung jener Stimmen, die per Briefwahl abgegeben wurden. War Hofer Sonntagabend in Wiener Neustadt noch auf 50,69 Prozent gekommen, wendete sich im Lauf des Montags das Blatt. Letztlich entfielen auf Van der Bellen 50,41 Prozent. St. Pölten, Baden, Mödling, Klosterneuburg, aber auch beispielsweise Bisamberg, überhaupt fast alle Städte und Gemeinden rund um Wien waren schon zuvor fest in grüner Hand.

  • Die Steiermark ist großflächig blau. Exakt 56,2 Prozent gehen an Norbert Hofer. Einzig nicht blauer steirischer Bezirk ist Graz-Stadt. In der Landeshauptstadt gingen 64,4 Prozent der Stimmen an Van der Bellen. Die obersteirischen Industriegebiete sind einmal mehr fest in blauer Hand. In der Steiermark setzt sich damit ein schon länger zu beobachtender Trend fort: Bei der Nationalratswahl 2013 war die Steiermark das einzige Bundesland, das mehrheitlich blau wählte. Bei der steirischen Landtagswahl 2015 legte die FPÖ 16 Prozentpunkte zu.

    Auffallend war in der Steiermark eines: Die Wähler, die im ersten Wahlgang Irmgard Griss wählten, und deren gab es verhältnismäßig viele, wechselten überdurchschnittlich oft zu FPÖ-Kandidat Norbert Hofer. Während laut Sora österreichweit 26 Prozent der Griss-Wähler auf Hofer schwenkten, waren es in der Steiermark 32 Prozent.

  • In Salzburg zeigt sich ein ähnliches Bild wie in der Steiermark. Auch hier stimmte von den sechs Salzburger Bezirken nur die Stadt Salzburg mehrheitlich für Van der Bellen – und zwar mit 58,9 Prozent. Anders als im ersten Wahlgang lag Hofer aber nicht mehr in allen 119 Salzburger Gemeinden vorn. Alexander Van der Bellen konnte sich im zweiten Wahlgang in insgesamt zehn Gemeinden durchsetzen.

  • Deutlich – und zwar mit 58,1 Prozent – liegt Hofer in Kärnten vorn. Auch hier ist nur die Landeshauptstadt der einzige grüne Bezirk. In Klagenfurt gewinnt Van der Bellen mit 52,3 Prozent. „In Kärnten sind die ehemaligen FPÖ-Wähler, die zwischenzeitlich SPÖ, ÖVP oder das Team Stronach gewählt haben, wieder zurückgewechselt“, sagt Meinungsforscher Ogris. Immerhin hat das Land eine freiheitliche Geschichte. Außerdem waren in Kärnten nach dem ersten Wahlgang überdurchschnittlich viele Griss-Stimmen abzuholen. Viele davon – vor allem konservative Stimmen – konnte sich Hofer sichern. 13 Prozent seiner Kärntner Wähler wählten laut Sora zuvor Griss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. Mai 2016)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.