Türkei steuert rasant Richtung Präsidialsystem

Türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan.(c) APA/AFP/KAYHAN OZER
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan leitet künftig die Kabinettssitzungen.

Ankara. Binali Yildirim ist loyal. Eben erst hat er sein neues Amt als Ministerpräsident der Türkei angetreten, nur um kurz danach, bei der Vorstellung seines Kabinetts am Dienstag, die Weichen für Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu stellen. Erdoğans erklärtes Ziel ist es, die Türkei in einen Präsidialstaat zu verwandeln, was ihm weitreichende Kompetenzen einbringen würde. So will die Regierung unter Yildirim gleich die Verfassungsänderung einleiten: In ihrer jetzigen Form entspreche die Verfassung nämlich nicht den Bedürfnissen der Türkei, so der Ministerpräsident.

So soll Erdoğan gleich am heutigen Mittwoch die Sitzung des neuen Kabinetts leiten – normalerweise ist das dem Regierungschef vorbehalten. Die Opposition wirft Erdoğan vor, mit dem Präsidialsystem einen noch restriktiveren Kurs einschlagen zu wollen. Erst vor Kurzem hat die AKP eine weitere Hürde auf dem Weg zur Verfassungsänderung genommen. Das Parlament hat die Immunität zahlreicher Abgeordneter der Opposition aufgehoben, um sie strafrechtlich verfolgen zu können. Somit könnte die AKP die Zweitdrittelmehrheit erreichen, die sie für eine Verfassungsänderung braucht.

EU-Minister ausgetauscht

Wie Yildirim ist auch Ömer ?elik ein langjähriger, treuer Weggefährte Erdoğans. In Yildirims neuem Kabinett löst ?elik Volkan Bozkir als Europaminister ab. Letzterer war eine Schlüsselfigur bei jenem Deal, den sich die EU mit Ankara zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ausverhandelt hat.

Mit Bozkir verlässt jedenfalls ein erfahrener Karrierediplomat die türkische Regierung, sein Nachfolger, ?elik, ist Politologe. Bozkir galt aber auch als ein Mann des früheren Premiers Ahmet Davutoğlu, der jüngst einen Machtkampf mit Erdoğan verloren hat. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2016)

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