Die Finanzminister der Eurogruppe diskutierten über die Freigabe weiterer Hilfen an das krisengeplagte Land. Der IWF fordert einen Schuldenschnitt, die Minister lehnen das ab.
Athen/Brüssel. Die Europartner wollen Griechenland für sein jüngstes Spar- und Reformpaket mit 10,3 Milliarden Euro belohnen. Die Hilfskredite könnten in mehreren Teilbeträgen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM fließen. Diese Pläne wurden am Dienstag am Rande des Euro-Finanzministertreffens in Brüssel bekannt. Offiziell gab es dazu vorerst keinen Kommentar. Die Euro-Finanzminister verhandelten stundenlang darüber, ob die Voraussetzungen für diese nächste Kreditrate aus dem Hilfsprogramm gegeben sind. Eine Entscheidung dazu stand zunächst aus.
Vor Beginn der Verhandlungen hatte sich Wolfgang Schäuble optimistisch gezigt: Es bestehe die Hoffnung, dass man sich auf eine gemeinsame Linie zur Überprüfung des dritten griechischen Hilfsprogramms einigen werde, erklärte der deutsche Finanzminister am Rande des Treffens in Brüssel. Ein solcher Schritt würde endlich den Weg zur Freigabe einer Hilfstranche für Griechenland in Höhe von zehn bis elf Milliarden Euro ebnen.
Schon beim Treffen der Euro Working Group am Vorabend war allerdings klar geworden, dass weder sämtliche „Hausaufgaben“ auf griechischer Seite erfüllt, noch die Auffassungsunterschiede zwischen IWF und den Finanzministern über einen griechischen Schuldenerlass ausgeräumt werden konnten. Griechenland hatte zwar, wie schon fast Routine, kurz vor der Eurogruppe ein Maßnahmenpaket im Eilverfahren durch das Parlament gepeitscht, das Einnahmen von 1,8 Milliarden Euro bringen soll.
Doch wie aus Brüssel verlautet, muss Athen bei ganz konkreten Themen noch einmal nachsitzen: Die jüngste Gesetzesvorlage über die Abwicklung unbedienter Kredite befriedigt die europäischen Partner nicht, außerdem will man Auskunft über die Fortschritte der Vergabe des ehemaligen Athener Flughafens Ellinikon an Investoren, die von wichtigen Kadern der griechischen Regierungspartei, des radikalen Linksbündnisses Syriza, bekämpft wird, etwa von der zuständigen Regionalchefin von Attika, Rena Dourou.
Einsparungen von 5,4 Mrd.
Als im letzten August das Rettungspaket für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden Euro ausgehandelt wurde, hatte sich das Mittelmeerland zu Spar- und Reformmaßnahmen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro verpflichtet – das entspricht etwa drei Prozent des Volkseinkommens.
Mit der letzten Gesetzesvorlage wurde nun das Paket vervollständigt. Neben einer ganzen Reihe von Steuer- und Gebührenerhöhungen wurden in der Vorlage auch besonders kritische Punkte der Vereinbarung mit den Gläubigern abgehakt: Im Gesetz findet sich die vom IWF geforderte Schuldenbremse sowie – endlich – die Schaffung der neuen Privatisierungskasse. An den letzten verblieben Detailfragen dürfte also eine Lösung nicht scheitern. Viel kritischer sind da die Probleme, die man mit dem IWF hat.
Nur zwei Tage vor dem Eurogruppentreffen gab der Währungsfonds einen Bericht über die Nachhaltigkeit der griechischen Staatsschulden heraus, in dem er wie gehabt darauf bestand, dass die Schulden mit dem jetzigen Programm nicht tragfähig seien. Aus diesem Grund beteiligt sich der IWF bislang nicht an den Hilfszahlungen des Programms.
Allgemein kritisieren die Experten aus Washington, dass Griechenland wieder einmal die Steuerschraube anzieht, anstatt Strukturreformen anzugehen. Ihre Schlüsse lassen prinzipielle Zweifel am griechischen Wirtschaftsmodell erkennen: Unter diesen Umständen seien kein Steigen der Produktivität und kein Wachstumssprung der Wirtschaft zu erwarten.
Der zweite große Streitpunkt mit den europäischen Partnern ist der sogenannte primäre Budgetüberschuss, das heißt das Budgetplus ohne Zinsendienst an die Gläubiger. Der IWF zweifelt offen die Annahme des Programms an, dass Griechenland zwischen 2018 und 2040 jährliche Überschüsse von 3,5 Prozent erwirtschaften könne. Darum fordert der Währungsfonds auch einen weit großzügigeren Schuldennachlass, als die Europäer derzeit zu geben bereit sind. Es gebe große Differenzen bei der Bewertung Griechenlands, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling vor Beginn des gestrigen Treffens mit seinen Amtskollegen. Aber „ganz klar wünschen sich alle, dass der IWF an Bord bleibt.“
Die Gretchenfrage ist, ob die Auffassungsunterschiede überbrückt werden können – und vor allem, ob sie die Freigabe der Zahlungen an Griechenland verzögern werden.
Akzente Richtung Wachstum
Griechenland soll etwa 7,2 Milliarden der erwarteten Hilfstranche für den Schuldendienst aufwenden, weitere 3,8 Milliarden für die Bezahlung der Schulden der öffentlichen Hand gegenüber Privaten. Besonders Letzteres wäre wichtig, um sogenanntes heißes Geld in die griechische Wirtschaft zu pumpen.
Nach dem Abschluss der ersten Überprüfung will man weitere Akzente Richtung Wachstum setzen: Das seit etwa zwei Jahren auf Eis liegende Investitionsförderungsgesetz soll unmittelbar nach der Einigung auch endlich das Parlament passieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2016)