Von AKW bis Zivilverfahren: Offene Fälle aus Österreich

Hinkley Point: Hier sollen weitere Reaktoren entstehen
Hinkley Point: Hier sollen weitere Reaktoren entstehen(c) APA/AFP/JUSTIN TALLIS (JUSTIN TALLIS)
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Die Gerichte in Österreich neigen stärker als jene in anderen Ländern dazu, in Zweifelsfragen den EuGH anzurufen. Es gehen aber auch die EU-Kommission und Österreich gerichtlich gegeneinander vor.

Vor einer Woche ist bekannt geworden, dass das Handelsgericht Wien in einem heiklen Prozess um die Hypo-Bad-Bank Heta den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eingeschaltet hat. Das Handelsgericht will mithilfe eines Vorabentscheidungsersuchens geklärt haben, ob das österreichische Bankensanierungs- und Abwicklungsgesetz im Lichte des EU-Rechts auf die Heta anzuwenden ist. Anders ausgedrückt: ob die Finanzmarktaufsicht ein Zahlungsmoratorium (auch) zulasten eines luxemburgischen Gläubigers verfügen durfte. Wenn auch der Ausgang ungewiss ist: Zumindest Zeit hat die FMA damit gewonnen.

Der Fall ist der jüngste in einer längeren Reihe von Verfahren, in denen österreichische Gerichte den EuGH eingeschaltet haben. Die heimischen Zivil- und Verwaltungsgerichte bis hin zu den Höchstgerichten Verfassungs-, Verwaltungs- und Oberster gelten als ziemlich vorlagefreudig: Allein im Vorjahr sind beispielsweise 23 Vorabentscheidungsersuchen aus Österreich in Luxemburg eingegangen; das waren 5,3Prozent der neuen Fälle, während Österreichs Bevölkerung nur etwa 1,7 Prozent der EU-Bevölkerung ausmacht. Hier eine Auswahl anhängiger Fälle aus Österreich.


AKW Hinkley Point. Österreich geht gegen die Förderung der Atomkraft in Großbritannien vor. Und zwar mit einer Nichtigkeitsklage beim Gericht der EU gegen den Beschluss der EU-Kommission, britische Beihilfen zugunsten des Atomkraftwerks Hinkley Point zu genehmigen.

•Amazon-Klauseln.
Anlässlich einer Unterlassungsklage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) will der Oberste Gerichtshof geklärt haben, in welchem Staat Amazon wegen angeblich unzulässiger Vertragsklauseln belangt werden kann.


•Auslieferung. Ein Fall kreist um das Verbot der Auslieferung eigener Staatsbürger an Nicht-EU-Staaten, wie es etwa in Österreich und Deutschland gilt. Das Bezirksgericht Linz will wissen, ob solche Staaten an das Verbot auch dann gebunden sind, wenn die Auslieferung des Bürgers eines anderen EU-Staats auf dem Spiel steht.


•Beglaubigung durch Anwälte? Dürfen österreichische Gerichte eine Eintragung ins Grundbuch verweigern, weil eine dafür benötigte Unterschrift von einem tschechischen Rechtsanwalt und nicht von einem Notar oder Gericht beglaubigt ist?


•Energieabgabe. Im Fall Dilly's Wellnesshotel hat das Bundesfinanzgericht mit seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen gefragt, ob Österreich dem Hotel zu Recht die Energieabgabenvergütung für einen bestimmten Zeitraum vorenthalten hat.


•Glücksspielmonopol. Das Landesgericht Wiener Neustadt hat im Fall Admiral Casinos & Entertainment AG eine Frage zum Thema Glücksspielmonopol vorgelegt. Nämlich: Kommt es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Monopols nicht nur auf dessen Zielsetzung an, sondern auch auf die empirisch mit Sicherheit festzustellenden Auswirkungen?


•Konsumentenschutz. Der OGH hat in einem Streit zwischen VKI und Bawag dem EuGH eine konsumentenschutzrechtliche Frage vorgelegt: Hat ein Bankkunde Informationen der Bank auf einem „dauerhaften Datenträger“ erhalten, wenn er diese per Online-Banking in der Mailbox abrufen kann?


•Rechte türkischer Arbeitnehmer. In diesem Vertragsverletzungsverfahren wirft die EU-Kommission Österreich vor, die Position türkischer Arbeitnehmer samt Familien verschlechtert zu haben und damit eine Stillhalteklausel im Assoziierungsabkommen mit der Türkei verletzt zu haben.

•RTR-Finanzierung. Fraglich ist, ob der Transportdienstleister DHL Express zur Zahlung von Finanzierungsbeiträgen an den Regulator RTR verpflichtet werden darf, obwohl er kein Universaldiensteanbieter wie die Post ist.


•Umweltschutz. In mehreren Vorabentscheidungsverfahren geht es um die Auswirkungen der europäischen Vorgaben auf das Umweltschutzrecht in Österreich.

•Zivilverfahren.
Eine Frage zum Zivilverfahrensrecht vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien: Welches Gericht ist in grenzüberschreitenden Fällen zuständig, wenn ein Schenkungsvertrag wegen Geschäftsunfähigkeit des Geschenkgebers aufgehoben werden soll? (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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