Arbeitssprache hält hartnäckig

Französisch. Während der EuGH Verfahren in allen 24 Amtssprachen der EU führt, wird intern aus Tradition nur auf Französisch gearbeitet.

Luxemburg. Fragte man Juristen in Europa, in welcher Sprache sie sich international ausdrücken, so würde man wohl sehr oft als Antwort bekommen: Englisch. Doch am Gerichtshof der EU und dem Gericht ist das anders: Hier ist die Lingua franca das Französische. Das ist zwar rechtlich nirgendwo verankert, es hat aber eine lange Tradition und hält sich hartnäckig. Obwohl es die internen Abläufe nicht unbedingt vereinfacht.

Der EuGH wurde 1952 mit der ersten der Europäischen Gemeinschaften, jener für Kohle und Stahl, gegründet. Mitgliedsländer waren damals Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Von Großbritannien, das 1973 beitrat, war noch keine Rede (geschweige denn zur Arbeitssprache). Das Deutsche verbot sich so knapp nach dem Krieg aus naheliegenden Gründen; stattdessen fiel die Wahl auf Französisch, traditionell die Sprache der Diplomatie.

Im Lauf der Zeit hat sich diese Entscheidung verfestigt. Wer nicht Französisch spricht, hat keine Chance, Richter oder auch nur juristischer Mitarbeiter in Luxemburg zu werden. Zwar stellen heute die Deutschsprachigen die größte Bevölkerungsgruppe in der EU, und in Wirtschaftskanzleien hat sich Englisch durchgesetzt. Jedes Abweichen von Französisch in die eine oder andere Richtung würde aber sogleich den Protest der Länder mit anderer Staatssprache hervorrufen.

Frankophile loben am Französischen, dass es häufig zu präziserem Denken und Ausdruck zwinge: Es lege Zusammenhänge offen, die in anderen Sprachen in Wortzusammensetzungsungetümen verborgen blieben. Wer klar denkt, kann sich allerdings auch ohne Französisch präzise ausdrücken.

Jede zweite Klage bei Gericht in Englisch

Viktor Kreuschitz, österreichischer Richter am Gericht in Luxemburg und deutsch-, englisch-, französisch- und ungarischsprachig, hält es für eine Verschwendung von Zeit und Arbeitskraft, dass jedes Dokument in jedem Verfahren auf Französisch übersetzt wird. Wettbewerbsrechtliche Verfahren etwa könnten viel einfacher gleich nur in Englisch geführt werden. Insgesamt sei fast die Hälfte der beim Gericht anhängigen Klagen auf Englisch verfasst; Französisch folge erst nach Deutsch und Spanisch an vierter Stelle. Englische Fälle ohne Übersetzung zu bearbeiten ist also eine Frage der ökonomischen Vernunft. Außerdem bedauert Kreuschitz, dass viele hochbegabte junge Leute, die dank EU-Osterweiterung EU-Bürger sind, an der Sprachbarriere scheitern. Sie sprächen viel häufiger Englisch oder Deutsch. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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