Südtirol-Debatte: Entgleisung oder Verschwörung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schützenkommandant Sarnthein zur FPÖ: „Lassen uns nicht missbrauchen.“ FPÖ-Südtirol-Sprecher Neubauer warnt vor einer Verschwörung.

Innsbruck (ars). Als „obskure Verschwörungstheorie“ bezeichnet der ÖVP-Südtirol-Sprecher Hermann Gahr den jüngsten Vorstoß der Freiheitlichen in Sachen Südtirol. Sein blaues Pendant, FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer, hat vergangene Woche behauptet, Außenminister Michael Spindelegger und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (beide ÖVP) hätten mit dem italienischen Außenminister Franco Frattini ein „Geheimkomplott gegen Südtirol“ geschmiedet. Neubauer nannte für seine Theorie die „hysterischen Reaktionen“ auf Forderungen von Parlamentspräsident Martin Graf nach einem Südtirol-Referendum sowie die Vorbereitungen zum Festumzug anlässlich des Hofer-Gedenkjahres am 20. September in Innsbruck, im Zuge derer die Südtiroler Schützen auf Geheiß Italiens „mundtot gemacht werden sollen“, als Beweis.

Otto Sarnthein, Kommandant der Nordtiroler Schützen, weist Neubauers Aussagen aufs Schärfste zurück. „Der Festumzug ist ein Gedenken an die Bergisel-Schlachten von 1809 und hat nichts mit der Südtirol-Frage an sich zu tun.“ Parteipolitik habe hier nichts verloren. Dass sich sein Südtiroler Gegenüber, Schützenkommandant Paul Bacher, im Zuge der Diskussion zu einem Vergleich der Haltung Platters und Durnwalders mit jener Adolf Hitlers hinreißen ließ – Bacher mahnte die beiden Landeshauptleute, die Brennergrenze nicht für unantastbar zu erklären, wie Hitler das einst tat –, bezeichnet Sarnthein als „Entgleisung sondergleichen“. Die Nordtiroler Schützen werden sich jedenfalls nicht von politischen Parteien missbrauchen lassen, so der Schützenkommandant. Seinen Südtiroler Kameraden rät er, sich nicht anlässlich des Festumzugs instrumentalisieren zu lassen und politische Statements zu vermeiden.

„Rückgewandtes Geplänkel“

Der Innsbrucker Zeithistoriker und Südtirol-Experte Rolf Steininger hält die aktuelle Diskussion für rückwärtsgewandtes Geplänkel politischer Hardliner dies- und jenseits des Brenners: „Die Mehrheit der Bevölkerung kümmert das nicht.“ Steininger unterstellt Graf und Konsorten, diese Diskussion aus schierem Eigennutz vom Zaun gebrochen zu haben: „Das ist ähnlich wie im Nahen Osten. Auch dort gibt es Parteien, die an einem Frieden gar nicht interessiert sind, weil sie den ständigen Konflikt für die eigene Identität brauchen.“ Sollte in Südtirol aber tatsächlich über einen Verbleib bei Italien abgestimmt werden, so Steininger, „würden sich einige Herrschaften über das Ergebnis wundern“.

ÖVP-Südtirol-Sprecher Hermann Gahr hofft, dass sich die Wogen bis zum 20. September, wenn in Innsbruck mit dem großen Festumzug der Höhepunkt des Hofer-Gedenkjahres begangen wird, glätten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2009)

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