Wiener Forscher um Josef Penninger haben an Mäusen das Risiko nahe null drücken können.
Jede achte Frau erkrankt irgendwann an Brustkrebs, er kann von Umweltfaktoren wie Hormonen ausgelöst werden, er kann mit dem Erbe gekommen sein: Varianten von zwei Genen – BRCA 1 und 2, das Kürzel steht für BReast CAncer – können das Risiko erhöhen, je nach Ethnie bei zwei bis zehn Prozent der Frauen. Die Schauspielerin Angela Jolie hatte die Variante von BRCA 1, und sie hat ihre Mutter und eine Tante an Brustkrebs sterben sehen, deshalb entschloss sich sich zur Ultima Ratio der vorsorglichen Amputation. Vielleicht lässt sich das Risiko der Genvarianten auch milder nahe null drücken, mit Medikamenten. Deren Entwicklung kann gewundene Wege gehen: Ende der 1990er-Jahre war Josef Penninger – heute Chef des Instituts für Molekulare Biologie (IMBA) in Wien – hinter den Feinheiten von Knochenschwund (Osteoporose) her. Knochen sind nichts Statisches, sie werden dauernd aufgebaut, von Osteoblasten, und abgebaut, von Osteoklasten. Sind Letztere zu aktiv, schwinden Knochen. Diese Überaktivität kommt von einem Protein bzw. Gen – RANKL –, Penninger fand es, Pharmakologen entwickelten daraus ein Medikament, das RANKL bremst, in den USA und Europa ist es zugelassen.
Bedrohliches Erbe neutralisieren
Später begegnete Penninger dem Molekül in einem ganz anderen Gewebe: In der weiblichen Brust regt es nach der Geburt eines Kindes die Milchproduktion an. Aber RANKL selbst wird dort auch durch synthetische Sexualhormone – aus der Gruppe der Progestine – aktiviert. Die können Brustkrebs auslösen, das brachte Penninger auf den Verdacht, RANKL könne bei Brustkrebs mitspielen. In Mäusen bestätigte sich das: Schaltet man gentechnisch ihr RANKL aus, verursachen die Hormone keinen Tumor.
Nun ist Penninger den nächsten Schritt gegangen, diesmal bei dem Brustkrebs, der in den Genen liegt: Wieder an Mäusen haben er und seine Mitarbeiterin Verena Sigl gezeigt, dass das Abschalten von RANKL das Risiko von BRCA 1 und 2 nahe null drückt. Das war auch in Kulturen von Zellen aus vorsorglichen Brustamputationen wie der Jolies so (Cell Research 31. 5.). Fehlt der letzte Schritt, der von Tests an Menschen, ein Kandidaten-Medikament gäbe es, das gegen Osteoporose, es könnte und müsste sich dem Vergleich mit heute eingesetzten Medikamenten wie Tamoxifen stellen. „Die Tür zur Brustkrebsprävention haben wir geöffnet“, schließt Penninger: „Klinische Studien könnten aufgrund des zugelassenen Medikaments sehr rasch beginnen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)