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Gott ist ein Smiley mit Heiligenschein

(c) BilderBox
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Subtext Die Bibel wurde in Emojis übersetzt. Zumindest zum Teil – ohne Sprache geht es denn doch nicht.

Sie kostet nur 3,49 Euro, ist über 2000 Seiten dick und wird als „Scripture 4 Millennials“ angepriesen, also als Heilige Schrift für die Internetgeneration: Die digitale „Emoji-Bibel“, die seit Anfang der Woche auf iTunes erhältlich ist. Im Gegensatz zu Melvilles „Moby Dick“, von dem es eine Emoji-Übersetzung gibt, die ganz ohne Sprache auskommt, wurden hier nur einzelne Wörter durch Bilder ersetzt, was zwar bei Weitem nicht so kreativ ist, aber die Lesbarkeit erhöht: Gott ist etwa ein Smiley mit Heiligenschein, für den Himmel stehen drei Sterne, für die Erde eine Weltkugel. Für das Wort Zeit hat der Übersetzer – halb modern – eine Armbanduhr genommen. Obwohl die Emoji-Tastatur doch auch eine Sanduhr bereithält.

Dass ausgerechnet die Bibel in bunte Bildchen übertragen wird, ist durchaus folgerichtig, immerhin hat das Christentum ja selbst ein ganzes Arsenal an Symbolen parat: Jesus wird unter anderem als Lamm dargestellt, der Evangelist Markus als geflügelter Löwe, die Lilie bedeutet Jungfräulichkeit, ein Hahn deutet auf Petrus hin, eine Posaune auf Hieronymus. Die Ikonografie (von griechisch Bild und schreiben) weiß die Heiligen auf den Gemälden allein anhand ihrer Attribute zu unterscheiden. Seltsam nur, dass die „Schrift für Millennials“ auf diese Symbole gar nicht zurückgreift, auch dann nicht, wenn es eine klare Emoji-Entsprechung gäbe. Weil die Leserschaft sie vielleicht nicht verstehen würde? Jedenfalls gibt es keinen Stier für Lukas, keinen Löwen für Markus, keinen Fisch für Jesus. Ja, nicht einmal eine Taube für den Heiligen Geist, obwohl das nun wirklich naheläge. Statt der Taube finden wir in der Emoji-Bibel ein Gespenst mit einem schwarzen Auge und einer herausgestreckten Zunge!

Blasphemisch findet das übrigens niemand, auch der Smiley mit Heiligenschein wird nicht kritisiert – allenfalls die Tatsache, dass dieses Symbol auch für das Wort Engel stehen könnte, wird bemängelt. Auf christlichen Seiten wird diese Bibel jedenfalls eifrig beworben: Der Text würde durch die Symbole „aufgelockert“, liest man da etwa. Der Übersetzer hält sich übrigens bedeckt: Ob er selbst Christ sei, will er nicht beantworten. Und er will anonym bleiben: Er sei nur „das coole Emoji mit der Sonnenbrille“.

E-Mails: bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)