Studieren ist keine Jobgarantie mehr

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Hörsaal(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Zahl der Arbeitslosen mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss steigt seit Monaten überdurchschnittlich, zuletzt um 15 Prozent. Zahlt sich ein Studium noch aus?

Wien. Die Wirtschaftskrise ist bei den Akademikern angekommen. Das zeigte sich zuletzt im Mai. Die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer stieg um 2,5 Prozent auf 405.470 Personen. Bei den Akademikern war der Zuwachs mit 15,4 Prozent weit überdurchschnittlich. Und das nicht zum ersten Mal. Seit Monaten steigt die Arbeitslosigkeit unter Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen viel stärker als die allgemeine Arbeitslosigkeit. Im Mai gab es hierzulande 26.678 Akademiker ohne Job.

Die Gründe dafür sind vielfältig, aber einer sticht besonders ins Auge: Es gibt einfach immer mehr Akademiker. „Dadurch ist ein sehr starker Konkurrenzkampf um die Einstiegsjobs entstanden“, sagt Sabine Putz vom Arbeitsmarktservice (AMS). Das zeigen auch die Zahlen. Nicht nur die arbeitslosen Akademiker werden immer mehr, sondern auch jene, die einen Job haben. Im Jahr 2007 hatten 12,8 Prozent der unselbstständig Beschäftigten einen Hochschulabschluss. 2015 waren es schon 17,7 Prozent. Im Vorjahr konnten bereits 638.000 Erwerbstätige eine akademische Ausbildung vorweisen. Während die allgemeine Beschäftigung seit 2007 um sieben Prozent zulegte, wuchs sie unter Akademikern um 48 Prozent.

Trotzdem: Die goldenen Zeiten, in denen ein Uni-Abschluss allein schon eine Jobgarantie war, sind endgültig vorbei. Vor allem für Absolventen der berüchtigten Massenstudien wie Publizistik und Psychologie sei die Lage schwieriger geworden, sagt Putz. Akademiker gelten als flexibel und engagiert, man schreibt ihnen ein hohes Durchhaltevermögen zu. Die meisten würden daher auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. „Aber der Einstieg ins Berufsleben gelingt vielen nicht mehr so leicht“, so Putz.

FH-Absolventen im Vorteil

Das veranschaulicht ein aktueller Bericht des AMS: Im Durchschnitt hat nur die Hälfte der Akademiker 18 Monate nach dem Ende der Ausbildung einen Job. Die Zahl wird von den Bachelor-Absolventen verzerrt, die meistens weiterstudieren. Aber auch Absolventen von Master- und Diplomstudien der Universität hatten nur zu 54 Prozent einen Job. FH-Abgänger finden schneller Arbeit: Von ihnen hatten 77 Prozent eineinhalb Jahre nach dem Abschluss einen Job. Dazu kommt die „versteckte Arbeitslosigkeit“, die sich ihrem Namen gemäß nicht messen lässt: Viele Jungakademiker haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und melden sich deshalb erst gar nicht beim Arbeitsmarktservice.

„Langfristig kann ein Studium dennoch nie ein Nachteil sein“, sagt Thomas Grandner vom Institut für Arbeitsmarkttheorie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Er rät angehenden Studenten aber, sich sehr genau zu überlegen, was sie studieren wollen und warum – und wie die Jobaussichten nach dem jeweiligen Studium sind. Den starken Anstieg der Akademikerarbeitslosigkeit führt er auf die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage zurück. „Der Trend wird sich wieder umkehren“, sagt Grandner.

Zum Teil ist der starke Zuwachs auch auf die Flüchtlingskrise zurückzuführen: Während die Arbeitslosigkeit unter österreichischen Akademikern im Mai um fünf Prozent zulegte, also doppelt so stark wie die allgemeine, stieg sie unter Akademikern aus Drittstaaten um rund 70 Prozent.

Arbeitslosenrate: 8,6 Prozent

In Summe waren im Mai 405.470 Menschen in Österreich arbeitslos (inklusive Teilnehmer von AMS-Schulungen). Die Arbeitslosenquote betrug 8,6 Prozent und blieb damit im Vergleich zum Vorjahr gleich. Auffallend ist, dass es immer mehr Langzeitarbeitslose gibt. Im Mai zählte das AMS 25.336 Menschen, die schon ein Jahr oder länger keinen Job hatten. Das sind um 87 Prozent mehr als vor einem Jahr. Wer arbeitslos wird, bleibt es im Durchschnitt 126 Tage.

Rückläufig war die Arbeitslosigkeit am Bau (minus 8,1 Prozent), im Handel gab es einen Zuwachs von 2,4 Prozent. Die Prognosen deuten darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit weiter steigen wird: Die wirtschaftliche Flaute hält an, gleichzeitig drängen immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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