„Das neue Drogengesetz ist ein Schuss ins Knie“

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Kleindealer seien meist auch Süchtige, sagt die Chefin der Wiener Drogenambulanz, Gabriele Fischer. Süchtige seien Kranke und gehörten in Behandlung statt ins Gefängnis. Portugals Drogenpolitik gilt weltweit als Vorbild.

Wien. Seit Mittwoch ist ein neues Suchtmittelgesetz in Kraft, das die zuletzt entstandene Drogenkriminalität aus dem öffentlichen Raum verdrängen soll. Die Lage an den Hotspots Praterstern und entlang der U6 hat sich seitdem entspannt. Die Wiener Polizei vermeldete am Donnerstag, dass bereits 17 Menschen verhaftet und zehn ins Gefängnis in der Josefstadt eingeliefert wurden. Ihnen drohen nun bis zu zwei Jahre Haft.

Wenig begeistert vom neuen Gesetz ist Gabriele Fischer, Chefin der Drogenambulanz im AKH. „Das neue Drogengesetz ist ein Schuss ins Knie. Die Verwahrung von Kleindealern, die meist auch Süchtige sind, im Gefängnis ist teuer, dafür wenig effektiv. Im europäischen Vergleich explodieren unsere Gefängnisse regelrecht aufgrund der Substanzabhängigen“, sagt Fischer. Ein Tag Haft koste rund 120 Euro. „Dieses Geld sollte man lieber in gesundheitsbezogene Maßnahmen stecken, denn Süchtige sind in erster Linie psychisch Kranke. Man wird nicht süchtig, wenn man nicht eine psychiatrische Grunderkrankung hat“, sagt sie. So löse Cannabis eher nicht Krankheiten aus, sondern umgekehrt: Weil jemand psychisch krank sei, käme es überhaupt erst zum regelmäßigen Konsum. „Kranke gehören behandelt, nicht ins Gefängnis“, sagt sie.

Fischer wünscht sich eine Drogenpolitik wie in Portugal, die mittlerweile als Vorzeigemodell gilt. Als dort die Drogenkriminalität in den 1990ern auf dem Höhepunkt war, wagte man 2001 einen Schritt Richtung Entkriminalisierung, aber nicht Liberalisierung. Die Eigenbedarfsmengen wurden angehoben, der Verkauf dennoch nicht legalisiert. Das führte dazu, dass die Gefängnisse geleert wurden; das Geld wurde für Sozialarbeits- und Gesundheitsmaßnahmen verwendet. Drogenrazzien der Polizei werden stets von Sozialarbeitern begleitet. Wer mit einer kleinen Menge erwischt wird, bekommt eine Geldstrafe – ähnlich einer Parkstrafe – und muss sich einer sozialarbeiterischen oder gesundheitlichen Beratung unterziehen. Wer innerhalb von drei Monaten nicht noch einmal erwischt wird, dem drohen keine weiteren Konsequenzen. Wenn doch, folgt ein Eintrag ins Vorstrafenregister. Gegen Großdealer wird dagegen ohne Pardon vorgegangen.

 

Nationale Strategien fehlen

Fischer ortet in Österreich eine vielfache Fehlfinanzierung, wenn es um Maßnahmen für Drogensüchtige und Kleindealer geht. „In ganz Europa gibt es nationale Pläne, die Strategien und konkrete Maßnahmen enthalten, nur in Österreich nicht. Aufgrund des Föderalismus haben wir nur regionale Strategien.“ Anfang des Jahres wurde vom Gesundheitsministerium ein Suchtpräventionsplan verabschiedet – mit eher allgemeinen Zielen denn konkreten Maßnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2016)


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