US-Wahl 2016: Sanders ist Trumps bester Wahlhelfer

Presidential Candidate Bernie Sanders Holds California Campaign Rally
Presidential Candidate Bernie Sanders Holds California Campaign Rally(c) Bloomberg (David Paul Morris)
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Hillary Clinton wird am Dienstag als Präsidentschaftskandidatin feststehen. Bernie Sanders hindert sie jedoch daran, sich als zentristische Kandidatin der Vernunft zu positionieren.

Washington. Die Demokratische Partei wird am 25. Juli ihren Parteitag in Philadelphia eröffnen, doch in der „Stadt der brüderlichen Liebe“ wird von selbiger wenig zu spüren sein. Die Stadtverwaltung hat für alle vier Konferenztage Demonstrationen mit bis zu 30.000 Teilnehmern genehmigt.

Dabei ist die Frage, wessen Name am 8. November auf den Stimmzetteln für die Präsidentschaftswahl stehen soll, bereits seit Wochen entschieden. Hillary Clinton hat sich in den bisherigen Vorwahlen einen derart großen Vorsprung an Delegierten erarbeitet, dass ihr Herausforderer Bernie Sanders bei den verbleibenden neun Urnengängen durchschnittlich 70 Prozent der Stimmen gewinnen müsste, um sie abzufangen. Das wird nicht passieren. Am kommenden Dienstag wird sie die absolute Mehrheit von 2383 Delegierten beisammen haben.

In der Mitte liegt die Macht

Clinton hat gute Chancen, die erste Präsidentin der USA zu werden. Ihr Gegner Donald Trump hat große Mühe, die Republikanische Partei hinter sich zu scharen. Er hat zahlreiche ihrer Würdenträger beleidigt, ihre wirtschafts- und außenpolitischen Grundpositionen über Bord geworfen und im Vertrauen auf Fernsehinterviews und den hemmungslosen Gebrauch von Twitter auf den Aufbau einer professionellen Kampagnen- und Spendensammelmaschinerie verzichtet. Gewiss ist Clinton bei vielen Amerikanern sehr unpopulär. Doch Trump ist noch unbeliebter, und man hält ihn mehrheitlich für charakterlich ungeeignet, die Nation zu führen. In einer Umfrage von Fox News, dem Clinton wahrlich nicht freundlich gesinnten Kabelfernsehsender, erklärten 49 Prozent, sie würden Clinton bei Entscheidungen betreffend Atomwaffen eher trauen als Trump; er lag satte elf Prozentpunkte hinter ihr.

Doch Clinton steht vor einem Dilemma. Sie kann vor dem Parteitag und vielleicht bis zum Herbst nicht von eher linken politischen Positionen, die bei der extrem motivierten Zielgruppe der Teilnehmer an Vorwahlen ziehen, in die Mitte des weltanschaulichen Spektrums rücken. In der Mitte liegt der Schlüssel zum Sieg, doch gleichzeitig will Clinton Sanders' zahlreiche Fans nicht vergrätzen. Und Sanders hat geschworen, seinen Aufruf zu einer „politischen Revolution“ gegen die Herrschaft der „Millionäre und Milliardäre“ auf den Parteitag zu bringen. Er insinuiert, dass die Führung der Partei ihn mit schmutzigen Tricks um die Nominierung zu bringen versucht.

Sanders' seltsame Bettgesellen

Sanders hat sich vor allem auf die Parteivorsitzende Debbie Wasserman Schultz eingeschossen. Er unterstützt in Florida ihren Herausforderer um die Wahl in den Kongress, einen Rechtsprofessor namens Tim Canova. Der aber ist gegen das Abkommen zum iranischen Atomprogramm – Präsident Barack Obamas wichtigsten außenpolitischen Erfolg.

Canova ist nicht der einzige seltsame weltanschauliche Bettgeselle, mit dessen Hilfe Sanders versucht, die Partei nach links zu ziehen. Ein Drittel seiner Fans gaben in Umfragen an, im November nicht für Clinton stimmen zu wollen. Viele von ihnen erklären, sie würden Trump Clinton vorziehen. „Eine dunkle Seite von mir will sehen, was passiert, wenn Trump gewinnt“, sagte etwa der Sanders-Wähler Victor Vizcarra neulich zur „New York Times“. „Selbst wenn das ein Nazi-artiger Wandel ist.“ Die Unzufriedenheit des linken Parteiflügels mit dem Establishment, das Clinton am liebsten ohne Widerspruch zur Kandidaten gekrönt hätte, hat sie zu einer Schärfung ihres Profils gezwungen.

Clinton musste in den vergangenen Monaten klarer erklären, warum sie es unklug fände, öffentliche Hochschulstudien einkommensunabhängig für alle gratis zu machen, und wieso es besser sei, die 2010 eingeführte Krankenversicherungspflicht (vulgo Obamacare) zu reformieren, statt sie durch eine staatliche Versicherung zu ersetzen, für die es im Kongress nicht einmal 2009 und 2010 eine Mehrheit gab, als die Demokraten beide Kammern dominierten. Doch nun droht ein innerparteilicher Riss, von dem letztlich Trump ebenso profitieren würde wie Richard Nixon 1968 von den Grabenkämpfen der Demokraten.

Die Schlüsselfrage ist also: Kann Clinton Sanders überzeugen, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und sie im November zu unterstützen? Clinton selbst focht vor acht Jahren erbittert gegen Obama weiter, selbst als bereits klar war, dass er die Partei und ihre Basis hinter sich gebracht hatte. Doch auf dem Parteitag in Denver stellte sie sich demonstrativ hinter ihn, was eine Spaltung der Partei verhinderte und Obamas Sieg gegen John McCain ermöglichte.

Traumgegner Trump

Trump stößt mit seinen zusehends erratischen Auftritten viele moderate Republikaner ab. Auf diese Wähler zielte Clinton am Donnerstag ab, als sie warnte, „dass es nicht schwer ist, sich vorzustellen, wie uns Donald Trump bloß deshalb in einen Krieg führt, weil jemand seine sehr dünne Haut angekratzt hat“. Und als wollte er seine Unbeliebtheit bei laut Umfragen rund 80 Prozent der hispanischstämmigen Amerikanern noch steigern, attackierte Trump ebenfalls am Donnerstag den Richter, der über die Sammelklage ehemaliger Studenten der Trump University zu urteilen hat. Er unterstellte dem in den USA geborenen Gonzalo Curiel einen Interessenkonflikt, weil seine Eltern aus Mexiko stammen und Trump bekanntlich eine Mauer an der Südgrenze der USA bauen will, um die Mexikaner fernzuhalten.

AUF EINEN BLICK

Hillary Clinton benötigt nur mehr rund 70 Delegierte, um die Mehrheit für die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zu erringen. Sie wird das am Dienstag bei den Vorwahlen in Kalifornien, New Jersey, Montana, North und South Dakota schaffen, weil die Delegierten nach Verhältniswahl zugeteilt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2016)

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