Türkische Hasswelle gegen Grün-Politiker Cem Özdemir wegen Verurteilung des Völkermords an den Armeniern. Die Polizei hat ihre Präsenz in der Umgebung von Özdemirs Berliner Wohnung erhöht.
Berlin. Nach massiven Drohungen durch türkische Nationalisten prüft das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) deutschen Medienberichten zufolge verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Cem Özdemir, Chef der deutschen Grünen. „Wir stehen in engem Kontakt mit den zuständigen Sicherheitsbehörden“, bestätigte Özdemirs Büroleiter Marc Berthold der Zeitung „Welt am Sonntag“. „Schmähungen und Beleidigungen sind wir durchaus gewohnt, aber so eine hohe Zahl von Todesdrohungen haben wir noch nie erlebt.“
Özdemir (50) hatte sich um die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedete Resolution bemüht, in der die Tötung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern sowie Aramäern und Angehörigen weiterer christlicher Minderheiten während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet wird. Die Entscheidung sorgte für Empörung in der Türkei, Ankara berief seinen Botschafter aus Berlin zu Konsultationen zurück. Die Türkei lehnt die Bezeichnung „Völkermord“ für die damaligen Geschehnisse entgegen der Meinung der meisten Historiker weltweit strikt ab.
„Eine türkische Pegida“
Der türkischstämmige Özdemir, geboren in Bad Urach nahe Stuttgart (Baden-Württemberg), war wegen seiner Haltung in türkischen Zeitungen angegriffen worden. Bei Protesten am Freitag vor der deutschen Botschaft in Ankara hatten Demonstranten Plakate mit einem durchgestrichenen Bild Özdemirs hochgehalten.
Die Polizei hat ihre Präsenz in der Umgebung von Özdemirs Berliner Wohnung erhöht. „Es gibt leider auch eine türkische Pegida“, kommentierte Özdemir die Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen mit Blick auf die fremden- und islamfeindliche deutsche Bewegung. „Rechtsradikalismus ist kein deutsches Privileg. Das gibt es leider auch in der Türkei und unter Deutschtürken.“ (AFP/APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)