Der türkische Präsident will türkischstämmige Bundestagsabgeordnete einem Bluttest unterziehen. Die deutsche Regierung stellt sich hinter die Parlamentarier.
Nach der Völkermord-Resolution des Deutschen Bundestags hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Ton gegenüber Deutschland nochmals verschärft. Deutschland sei "das letzte Land", das über einen "sogenannten Völkermord" der Türkei abstimmen solle, sagte Erdogan am Sonntagabend in Istanbul. Berlin solle zuerst Rechenschaft über den Holocaust und über die Vernichtung von mehr als 100.000 Herero in Südwestafrika Anfang des 20. Jahrhunderts ablegen.
Erdogan soll in der Rede auch Bluttests für türkischstämmige Bundestagsabgeordnete gefordert haben, berichtet die "Welt". "Da kommt ein Besserwisser und bereitet etwas vor, das er dem deutschen Parlament vorschlägt. Ein Türke, sagen manche. Ach was, Türke. Ihr Blut sollte einem Labortest unterzogen werden." Damit habe der türkische Präsident indirekt den Grünen-Chef Cem Özdemir angegriffen. Der 50-Jährige hatte nach der Verabschiedung der Resolution Todesdrohungen erhalten: Er hatte sich um die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedete Resolution bemüht, in der die Tötung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern sowie Aramäern und Angehörigen weiterer christlicher Minderheiten während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet wird.
Özdemir: Nicht von autoritären Herrschern unter Druck setzen lassen
Bereits am Samstagabend hatte Erdogan harte Kritik am Abstimmungsverhalten der türkischstämmigen Abgeordneten geübt, die für die Einstufung der Massaker an den Armeniern als Völkermord gestimmt hatten. Er warf ihnen vor, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als verlängerter Arm zu dienen. "Es ist sowieso bekannt, wessen Sprachrohr sie sind", sagte Erdogan. "Von der separatistischen Terrororganisation in diesem Land sind sie die Verlängerung in Deutschland."
Cem Özdemir selbst hat am Montag gewarnt, sich von der Türkei unter Druck setzen zu lassen. Man müsse die Angst ernst nehmen, doch dürfe man sich von ihr nicht leiten lassen, sagte er. "Die Abstimmungen im Deutschen Bundestag werden nicht davon abhängig gemacht, welcher autoritäre Herrscher damit glücklich ist und welcher nicht."
Auch die deutsche Bundesregierung stellte sich nach den verbalen Angriffen hinter ihre Parlamentarier. In Deutschland werde die kurdische PKK ebenso wie in der Türkei als terroristische Organisation eingestuft, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: "Wenn jetzt durch Äußerungen aus der Türkei einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestages in die Nähe des Terrorismus gerückt werden, so ist das für uns in keiner Weise nachvollziehbar."
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(APA/dpa)