"Gaunerzinken": Die geheimen Zeichen der Einbrecher

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Warnung vor „Gaunerzinken“, die anzeigen, wo sich Einbruch lohnt. Bei der Wiener Polizei will man seit der Ostöffnung ein kleines Comeback dieser Geheimzeichen bemerkt haben.

Wien (awe). In welcher Wohnung und in welchem Haus sich einzubrechen lohnt, ist für Kriminelle nicht nur an langen akademischen Titeln am Türschild ersichtlich. Immer wieder, das sagt das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), würden dafür auch kryptische Kritzeleien hinterlassen. Diese sogenannten „Gaunerzinken“ informieren Eingeweihte darüber, ob sich die „Arbeit“ hier lohnen könnte, die Eigentümer häufig zu Hause sind oder das Haus von einem Hund bewacht wird.

„Gespräche mit Tätern und Opfern haben uns gezeigt, dass diese Form der Kommunikation nach wie vor verwendet wird“, sagt Birgit Zetinigg, Leiterin des KfV-Fachbereichs Eigentum und Feuer. Angebracht werden die kleinen Graffitis ähnelnden Markierungen oft an Hauswänden, Türen oder Briefkästen. Meistens sind es Mitglieder von organisiert arbeitenden Banden, die potenziell infrage kommende Objekte nur auskundschaften, die Lebensgewohnheiten der Bewohner notieren und die so gewonnenen Erkenntnisse für ihre Kollegen hinterlassen.

Zeichen auch bei Bettlern beliebt

Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Räuber nach einem Einbruch Informationen am Tatort zurücklassen. Der Schluss, dass dies sinnlos sei, weil in einer solchen Wohnung ohnedies nichts mehr zu holen ist, trügt. Denn: Für den nächsten Einbrecher bedeutet eine entsprechende Markierung, dass die Opfer wenige Wochen nach dem Einbruch die vorher gestohlenen Computer und Fernsehgeräte durch neue ersetzt haben. Außerdem informieren sich Einbrecher gegenseitig auch darüber, ob die Eigentümer Waffen besitzen oder besondere Sicherungseinrichtugen wie etwa Alarmanlagen installiert haben.

Bei der Wiener Polizei will man seit der Ostöffnung ein kleines Comeback der „Gaunerzinken“ bemerkt haben. Unter Tätern aus Osteuropa sei diese Kommunikationsform nämlich auch heute noch bekannt. Besonders gerne benutzt würden die Zeichen aber von Bettlern und Hausierern, die so erfahren, ob sich das Läuten an der Tür auszahlt, ob der Eigentümer Geld oder Sachspenden gibt oder eher die Polizei ruft.

Auf der Website des Innenministeriums ist im Bereich „Prävention“ ein Informationsblatt des Bundeskriminalamts (hier als .pdf) abrufbar, auf dem die gängigsten Markierungen abgebildet sind. Die Kriminalisten empfehlen, entdeckte Kritzeleien sofort zu entfernen. Trotzdem, so ein Experte, werde die Gefahr überschätzt. „Uns ist kein Fall bekannt, in dem ein Einbruch aufgrund eines ,Gaunerzinkens‘ begangen wurde.“

Ihren Ursprung haben die Markierungen im „Rotwelschen“, einer Kriminellensprache, die im Mittelalter entstand. Im 16.Jahrhundert entwickelten sich daraus grafische Darstellungen, die an Häusern angebracht wurden, um anzuzeigen, wann dieses ausgeraubt oder angezündet werden soll.

Auf einen Blick

Gaunerzinken sind graffitiähnliche Markierungen an Eingängen von Häusern und Wohnungen, die Einbrecher oder Bettler darüber informieren, ob sich das Objekt für ihre Zwecke lohnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2009)

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