Unter 18-Jährige ohne Ausbildung: Bis 1000 Euro Strafe drohen

 Lehrlinge bei der Arbeit. Jugendliche Hilfsarbeit soll durch die paktierte Ausbildungspflicht bis 18 weitgehend verhindert werden.
Lehrlinge bei der Arbeit. Jugendliche Hilfsarbeit soll durch die paktierte Ausbildungspflicht bis 18 weitgehend verhindert werden.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Ausbildungspflicht wurde im Ministerrat beschlossen. Eltern sollen melden, wenn ihr Kind die Ausbildung abbricht. Betroffen sind jährlich rund 5000 Jugendliche.

Wien. Rudolf Hundstorfer ist vom politischen Parkett verschwunden. Ein Teil seines Erbes, das er selbst noch in seinen letzten Tagen als roter Sozialminister vorbereitet hat, hat es gestern, Dienstag, aber durch den Ministerrat geschafft: Die Ausbildungspflicht für Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren wurde beschlossen. Was sich für Österreichs Jugendliche dadurch ändert.

1. An wen richtet sich die fixierte Ausbildungspflicht?

Kinder und Jugendliche waren bislang lediglich dazu verpflichtet, neun Jahre in die Schule zu gehen. Daran knüpft fortan die Pflicht, eine Ausbildung zu machen, an. Betroffen sind davon jene unter 18-Jährigen, die nicht in die Schule gehen oder eine Berufsausbildung machen. Die Jugendlichen, die die Pflichtschule im Sommer 2017 abschließen, sind die ersten, die der Ausbildungspflicht unterliegen. Während Jugendliche mit Behinderung im Begutachtungsentwurf noch von der Pflicht ausgenommen waren, sind sie nun auch betroffen. Nicht zur Ausbildung verpflichtet werden junge Asylwerber.

2. Wie viele Jugendliche sind von den Veränderungen betroffen?

Jene rund 5000 von 80.000 Jugendlichen jedes Jahrgangs in Österreich, die bisher über keine weiterführende Ausbildung verfügten. Sie nahmen entweder eine Hilfstätigkeit an oder stiegen gar nicht in den Arbeitsmarkt ein.

3. Was soll mit der Ausbildungspflicht eigentlich erreicht werden?

Durch die Ausbildungspflicht soll jugendliche Hilfsarbeit weitgehend vermieden werden. „Hier werden Karrieren geschaffen, die durch ein ganzes Berufsleben hindurch belastet sind“, sagt Kanzler Christian Kern (SPÖ). Man müsse versuchen, diesen Kreislauf – Bildungsabbruch, Hilfsarbeit und Arbeitslosigkeit – zu durchbrechen. Denn Menschen, die nicht mehr als einen Pflichtschulabschluss vorweisen können, hätten ein dreifaches Risiko, arbeitslos zu werden.

4. Welche Ausbildungen zählen als Erfüllung der Pflicht?

Die fixierte Ausbildungspflicht bedeutet nicht, dass nun bis zum 18. Geburtstag die Schulbank gedrückt werden muss. Neben dem Schulbesuch bzw. dem Privatunterricht und der Lehre gibt es auch andere zulässige Ausbildungen. Jugendliche dürfen etwa Vorbereitungskurse auf die Externistenprüfung oder auf eine Berufsausbildung absolvieren. Außerdem dürfen sie an AMS-Kursen teilnehmen. Eine Beschäftigung bei einem Unternehmen ist dann zulässig, wenn diese mit einem „Perspektiven- oder Betreuungsplan“ des AMS oder des Sozialministeriumsservice vereinbar ist.

5. Wie wird überprüft, ob die Ausbildungspflicht erfüllt wird?

Die Eltern sind dazu angehalten zu melden, wenn das unter 18-jährige Kind nicht binnen vier Monaten nach einem Schul- bzw. Ausbildungsabbruch eine andere Ausbildung aufnimmt. Auch Schulen, Arbeitsmarktservice, Sozialministeriumservice, Lehrlingsstellen etc. sollen regelmäßig (mindestens vier Mal jährlich) Meldung an die Statistik Austria erstatten. Wenn nach einem Abgang von einer Institution zum nächsten Meldezeitpunkt kein Zugang vermerkt wird, dann erfolgt eine Kontaktaufnahme mit dem betroffenen Jugendlichen. Das übernehmen die bereits in den Ländern angesiedelten Koordinierungsstellen zwischen Schule und Beruf. Diese werden personell aufgestockt.

6. Wer wird bestraft? Und wie hoch werden die Strafen sein?

Wenn Erziehungsberechtigte glaubhaft machen können, dass sie versuchen, dass ihr Kind der Ausbildungspflicht nachkommt, wird keine Strafe verhängt. Strafe ist laut Sozialministerium „das letzte Mittel der Wahl“. Die Höhe der Strafe bewegt sich ähnlich wie bei der Verletzung der Schulpflicht zwischen 100 und 500 Euro (im Wiederholungsfall 200 bis 1000 Euro).

7. Wann und wie soll die Ausbildungspflicht umgesetzt werden?

Das Gesetz braucht eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, da es eine Verfassungsbestimmung enthält. Somit sind die Stimmen entweder von Grünen oder FPÖ nötig. Grundsätzlich soll es formal am 1.August 2016 in Kraft treten. Wirksam wird es am 1.Juni 2017. Strafen soll es erst ab Mitte 2018 geben. Die Kosten beziffert das Sozialministerium mit 57 Millionen Euro pro Jahr im Vollausbau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)

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