„Subventionen verhindern Innovationen“

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Neuseeland hat bereits vor Jahren sämtliche Subventionen für die Landwirtschaft abgeschafft. Handelsminister Todd McClay über die Erfahrungen, die man gemacht hat, über Milchüberschüsse und Freihandelszonen.

Die Presse: Neuseeland hat schon vor vielen Jahren sämtliche staatlichen Subventionen für seine Landwirtschaft gestrichen. Wie geht es den Bauern heute?

Todd McClay: Das Streichen der Subventionen war eine Notwendigkeit. Wir sind ein kleines Land und konnten uns die Unterstützung nicht auf Dauer leisten. Die Bauern mussten dadurch wettbewerbsfähig sein, sie mussten innovativ sein und sich neue Märkte suchen und neue Produkte überlegen. Das hat sehr gut funktioniert. Wenn sich Unternehmen selbst erhalten müssen, konzentrieren sie sich auf ihre Produkte und darauf, was sich verkaufen lässt. Dass wir heute in der Landwirtschaft so innovativ sind, wäre sicher nicht der Fall, würden wir noch immer Subventionen zahlen.

In Europa gibt es gerade eine schwere Krise in der Landwirtschaft, weil die Milchpreise nach dem Auslaufen der Produktionsquote gesunken sind. Die Folge sind teilweise neue Zahlungen an die Bauern, wie etwa aktuell in Deutschland, wo 100 Millionen Euro fließen sollen. Ist so etwas sinnvoll?

Das muss Europa entscheiden, wie es das handhaben will. Ich werde nicht aus Neuseeland Tipps erteilen. Es wird einige Staaten geben, die mehr Hilfe und Unterstützung für ihre Landwirtschaft wollen, andere weniger. Aber es ist schwer, wenn es eine umfangreiche Produktion gibt und der Preis für Milch sehr tief ist. Preise in der Landwirtschaft unterliegen Zyklen, und es gibt viele verschiedene Dinge, die darauf Einfluss haben. Im Milchbereich wird es wieder anders werden, wenn die Produktion in anderen Gebieten der Welt zurückgeht. Was Landwirte brauchen, ist Stabilität über einen langen Zeitraum – und das bedeutet einen weltweiten Markt.

Wenn Sie jetzt Freihandelsabkommen ansprechen – die sind in Europa gerade nicht sehr beliebt.

Zum geplanten Abkommen zwischen Europa und den USA (TTIP, Anm.) kann ich nichts sagen. Unsere Erfahrungen mit TPP (Handelsabkommen der pazifischen Staaten und der USA, Anm.) sind sehr positiv. Es hat uns den Zugang zu einem Markt mit 800 Millionen Menschen ermöglicht, die 40 Prozent der weltweiten Wirtschaft ausmachen. Das ist für uns eine enorme Chance.

Die Aufregung bei TTIP dreht sich vor allem um die Standards, in Europa gipfelt das in der Warnung vor Chlorhühnern aus den USA. Wie war das bei TPP?

Wir haben über sieben Jahre verhandelt, das war eine große Herausforderung. Es gibt sehr hohe Standards, vor allem im Umweltbereich und bei den Arbeitsbedingungen. Das war uns besonders wichtig. Es ist auch sichergestellt, dass wir weiterhin unsere eigenen Standards festlegen.

Noch einmal zu den Subventionen: Sie haben betont, dass Förderungen Innovationen behindern. Sind Subventionen generell schlecht?

Nicht unbedingt. Aber es muss jedes Land für sich selbst entscheiden, was am besten funktioniert. In Neuseeland haben wir die Erfahrung gemacht, dass Subventionen Innovationen verhindern. Bereiche, die hohe Förderungen erhalten, sind nicht immer so innovativ, wie sie es ohne Förderungen sein müssten. Es ist in unsere Zeit unglaublich wichtig, Ideen zu haben und in neue Märkte zu investieren. Förderungen habe das teilweise verhindert. Aber wir werden nicht die Struktur und die Art der Landwirtschaft in Europa bestimmen, das ist auch kein Thema für die Welthandelsorganisation.

Ein Thema für die WTO sind aber die Förderungen auf dem Fischereimarkt, gegen die Neuseeland kämpft.

Studien zeigen, dass die Unterstützung der Fischindustrie nicht nur den Markt verzerrt, sondern auch negative Einflüsse auf die Umwelt hat. Damit beschäftigen wir uns in der WTO. Dort müssen wir auch die Förderungen für fossile Energien diskutieren, weil dadurch Innovationen behindert werden. Ziel muss sein, dass der Handel insgesamt weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Für welche Bereiche gibt der Staat in Neuseeland Geld?

Wir fördern Forschung und Entwicklung, nicht die Produktion. Aber wir erleichtern es unserer Wirtschaft, Geschäfte zu machen. Es dauert beispielsweise nur zwei, drei Tage, ein Unternehmen zu gründen. Und dann lassen wir Unternehmen arbeiten, wir behindern sie nicht durch zu viele Regeln. Das sind gerade für ein kleines Land wie Neuseeland wichtige Voraussetzungen, ebenso wie Handelsabkommen. Wir wären auch an einem Freihandelsabkommen mit der EU interessiert. Davon können beide Seiten profitieren, wenn beispielsweise die Unternehmen stärker zusammenarbeiten oder es einen Austausch bei Schülern und Studenten gibt.

Gibt es Chancengleichheit zwischen der europäischen Wirtschaft und der in Neuseeland?

Uns geht es ja nicht nur um die Landwirtschaft. Unsere Wirtschaft ist mittlerweile viel breiter aufgestellt. Der Handel mit Europa ist in den vergangenen Jahren gleich geblieben, dagegen hat der Handel mit den asiatischen Ländern stark zugenommen. Wir haben ein Freihandelsabkommen mit China, das hat zu einem Wachstum von einst vier Milliarden neuseeländische Dollar auf 20 Milliarden geführt. Mit Europa wäre ein Freihandelsabkommen leichter zu verhandeln und zu realisieren, weil wir ähnlich hohe Standards in den verschiedenen Bereichen haben.

Sind die Landwirte in Neuseeland heute ihrer Konkurrenz in anderen Staaten deutlich voraus?

Unsere Erfahrungen waren gut, das Ende der Subventionen hat für uns funktioniert. Wenn man die Bauern heute fragt, ob sie wieder staatliche Förderungen haben wollen, bin ich mir sicher, dass sie es ablehnen. Sie haben heute viel mehr Freiheit, das zu tun, was sie wollen, ohne dass ihnen etwas vorgeschrieben wird. Aber das Beispiel Neuseeland kann man nicht auf die Welt umlegen.

ZUR PERSON

Todd McClay (geboren 1968) ist seit Dezember 2015 Handelsminister Neuseelands und hat in dieser Funktion auch außenpolitische Verantwortung für das Land. In den 1980er-Jahren arbeitete McClay als Büroleiter für Henry Plumb, als dieser Präsident des europäischen Parlaments war. Später repräsentierte er die Cookinseln als Botschafter. 2008 wurde er ins neuseeländische Parlament gewählt, 2013 übernahm er eine Ministerfunktion, war aber bis 2014 nicht offizielles Mitglied des Kabinetts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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