Österreichs erster Gruppengegner hat seine Glanzzeit hinter sich. Ko-Trainer Andreas Möller soll mithelfen, die Schatten der Vergangenheit in Frankreich zu besiegen.
Mougins. Andreas Möller ist zurück auf der großen Bühne. Freilich nicht als Aktiver – seine erfolgreiche Karriere hatte Möller 2004 bei Eintracht Frankfurt beendet – sondern als Assistenzcoach von Österreichs erstem Gruppengegner Ungarn (14. Juni). Der 48-Jährige verfügt über enorm viel Erfahrung. Er ist Champions-League-Sieger (1997), Uefa-Cup-Sieger (1993), dazu Welt- (1990) und Europameister (1996): Die Magyaren sollen genau davon profitieren.
Zwei Jahrzehnte nach der persönlichen Krönung bei der EM in England ist Möller wieder mittendrin, wenn sich die besten Teams Europas messen. „Auf dem grünen Rasen zu stehen, nahe an der Mannschaft zu sein, das macht schon sehr viel Spaß“, sagte der frühere Mittelfeldspieler jüngst über seinen Job, den er erst im Herbst des vergangenen Jahres angetreten ist. Für die Play-off-Spiele gegen Norwegen holte Ungarns Nationalcoach und Landsmann, Bernd Storck, Möller in seinen Trainerstab. Dank seiner großen Erfolge könne er das Team allein durch seine „Aura und Ansprache“ motivieren, begründete Storck die Personalentscheidung. Der Schachzug glückte, die Ungarn qualifizierten sich erstmals seit 44 Jahren wieder für eine EM-Endrunde.
„Die Euphorie in Ungarn ist groß, es herrscht Aufbruchstimmung“, betont Möller. In der jüngeren Vergangenheit war die Haltung dem Nationalteam gegenüber weniger gut. Die Schatten der Vergangenheit sind lang, immer wieder wird die heutige Generation mit der legendären Elf um Ferenc Puskas verglichen, die 1954 im WM-Finale von Bern gegen Deutschland verloren hat. „Man spürt überall, welche große Vergangenheit der ungarische Fußball hat. Alles ist auf Ferenc Puskas und Co. ausgerichtet“, sagt Möller. „Aber es bringt nichts, zu sehr in der Vergangenheit zu schwelgen. Man muss nach vorn schauen. Wir wollen bei der EM unsere eigene Geschichte schreiben.“
Entwicklungsarbeit
Die Ungarn sind sich ihrer Außenseiterrolle bewusst. Möller: „Portugal und Österreich sind die klaren Favoriten. Für uns wird es mit Island um Platz drei gehen.“ Vier der sechs Gruppendritten sichern sich ebenfalls das Ticket für das Achtelfinale. Doch Möller und Storck haben nicht nur die EM im Fokus, sie arbeiten mit Weitblick. „Es geht darum, die Mannschaft zu entwickeln, den Rückstand, den wir haben, aufzuholen. Die EM soll nicht nur eine Momentaufnahme bleiben.“ (cg/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)