Die Reform der Reform: Das Heer wird föderaler

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil
Verteidigungsminister Hans Peter DoskozilAPA/GEORG HOCHMUTH
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Umstrukturierungen, Sparpakete: Kein Heer in der EU muss mit so wenig Budget auskommen wie die Truppe in Österreich. Jetzt gibt es eine Trendumkehr.

Wien. Nicht einmal 1,9 Milliarden Euro. Oder, anders gesagt, nicht einmal 0,55 Prozent des BIPs: Kein Heer eines EU-Landes musste im vergangenen Jahr mit so wenig finanziellen Mitteln auskommen wie die Truppe in Österreich. Und nicht nur das: Gleichzeitig wird das Bundesheer immer und immer wieder reformiert. Zuletzt war es Ex-Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), der ein Sparpaket verkündete. Einmottung von Panzern, Schließung von Kasernen inklusive.

Sein Nachfolger und Parteikollege, Hans Peter Doskozil, erhielt in diesem Jahr eine für ihn erfreulichere Botschaft. Bis 2020 bekommt sein Ressort zusätzlich 1,3 Milliarden Euro. Und, wie könnte es anders sein, eine neue Reform: Die Eckpunkte stellte Doskozil gestern, Freitag, vor. Er wolle die Truppe „wirklich fit machen für die nächsten Jahre, möglicherweise Jahrzehnte“. So soll das Militär für Assistenzeinsätze wie Grenzschutz oder Katastrophenschutz gewappnet sein. Durch die Flüchtlingskrise ist immerhin der Fokus wieder auf das Heer gerückt.

Die wichtigste Neuerung der Reform: Das Bundesheer soll in den Regionen gestärkt werden. Die Militärkommandos, quasi die Länderorganisationen im Heer, werden „massiv gestärkt“, sagt der Minister. „Wir wollen eine Dezentralisierung und regionale Strukturen stärken.“

Eine neue „Heimat für die Miliz“

Und das sieht folgendermaßen aus: Jedes Bundesland bekommt sein eigenes Jägerbataillon mit 300 bis 500 Soldaten. Neu sind in dieser Form jene im Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg. Die Kommandos sollen auch für die Ausbildung der Grundwehrdiener verantwortlich sein. Und auch die „Heimat der Miliz“ werden, wie es Generalstabschef Othmar Commenda nennt. Jene Soldaten, die zeitweise beim Heer sind und einen zivilen Beruf haben, sollen gestärkt werden.

Allgemein wird die Struktur des Heeres neu organisiert. Das Streitkräfteführungskommando soll es in Zukunft nicht mehr geben. Es wird geteilt, in ein Kommando Land in Graz und ein Kommando Luft in Salzburg. Von der kürzeren Befehlskette erhofft man sich raschere Entscheidungen.

Die Reaktionsfähigkeit der Truppe soll ganz allgemein erhöht werden. Dafür werden die Brigaden – also die Krisenreaktionskräfte – weiter spezialisiert. Ein Beispiel: Das Kommando Schnelle Einsätze (für Freunde der Details: Das wäre die bisherige 3. Panzergrenadierbrigade im niederösterreichischen Mautern) ist rasch verfügbar für Einsätze im In- und Ausland. Außerdem legt man dort den Fokus auf den Einsatz im urbanen Gelände, etwa in Terrorsituationen.

Weniger Personal im Ministerium

Gespart wird allerdings auch: Und zwar im Ministerium selbst, auch Zentralstelle genannt. Das Personal soll hier um 15 Prozent (also 150 bis 200 Stellen) reduziert werden. Man werde schauen, dass man dies in einer ersten Phase durch natürlichen Abgang erfüllen könne, sagte Doskozil. Dafür will der Minister das Personal direkt in der Truppe aufstocken. Bis 2020 sollen die sogenannten Kaderpräsenzeinheiten – also jene Soldaten, die rasch in den Einsatz geschickt werden können – auf 600 aufgestockt werden. Derzeit gibt es rund 2200 solcher Uniformierten.

Allerdings gebe es noch einige „Hausaufgaben zu erfüllen“, sagt Doskozil. Was er damit meint: Das Heer müsse als Arbeitgeber attraktiver werden. Im Ressort wird daher an einem neuen Konzept gearbeitet: Soldaten sollen die Möglichkeit haben, langfristig eine Karriere beim Heer anzustreben. Und nicht nur als Zeitsoldaten für das Militär zu arbeiten. Details stehen dazu aber noch nicht fest.

Nächste Woche möchte Doskozil jedenfalls die notwendigen Gespräche für seine Pläne mit dem Spiegelressort in der Regierung, also dem Innenministerium, führen. Vor dem geplanten Beschluss im Ministerrat am 5. Juli muss auch der Nationale Sicherheitsrat einberufen werden. Inkrafttreten soll die Reform dann im Jänner.

Die geplanten neuen Strukturen

Jedes Militärkommando wird künftig über ein 300 bis 500 Mann starkes Jägerbataillon verfügen. Es gibt fünf neue Bataillone - durch Neuaufstellungen im Burgenland, in Oberösterreich und in Kärnten sowie durch Zusammenlegungen in Salzburg und Tirol. Die Militärkommanden sollen Grundwehrdiener ausbilden und mittelfristig auch Heimat der Miliz sein, außerdem bekommen sie Aufgaben der Gebäudeverwaltung.

Die Brigaden (Krisenreaktionskräfte) werden spezialisiert: Das "Kommando Schnelle Einsätze" (bisherige 3. Panzergrenadierbrigade im niederösterreichischen Mautern) ist rasch verfügbar für Einsätze im In- und Ausland und spezialisiert auf den Einsatz im urbanen Gelände, etwa in Terror-Situationen. In der "Schweren Brigade" (4. Panzergrenadierbrigade im oberösterreichischen Hörsching) sind alle mechanisierten Kräfte des Heers zusammengefasst, sie ist vorgesehen für sogenannte robuste Einsätze. Dann gibt es noch die "Leichte Brigade" (7. Jägerbrigade) in Klagenfurt und das "Kommando Gebirgskampf" (ehemalige 6. Jägerbrigade) in Absam in Tirol. Die Kaderpräsenzeinheiten sollen schrittweise bis 2020 auf 6.000 aufgestockt werden.

Statt 16 wird es künftig nur mehr zehn nachgeordnete Kommanden geben. So wird beispielsweise das Streitkräfteführungskommando ersetzt durch ein Kommando Landstreitkräfte in Graz (zuständig für Militärkommanden, Brigaden, Heerestruppenschule) und ein Kommando Luftstreitkräfte in Salzburg (Luftunterstützung, Luftraumüberwachung, Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule). Neu sind da etwa auch das Kommando Logistik und das Kommando Führungsunterstützung und Cyber Defence in Wien. Die anderen, wie Heerespersonalamt oder Heeresnachrichtenamt, bleiben.

Aus fünf Sektionen in der Zentralstelle, also dem Ministerium selbst, sollen vier werden: Sektion I für Recht und Personal, Sektion II für Sport, Sektion III Bereitstellung und Sektion IV Einsatz. Neu ist etwa auch ein "Innovationsbüro". Bei einem Ausgangswert von 1.200 Planstellen sollen gut 15 Prozent oder 180 bis 200 Posten eingespart werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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