Margit Fischer: "Die Wissenschaft soll der Held sein"

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Je tiefer man sich auf eine Materie einlässt, desto faszinierender wird sie, ist die Vorsitzende des Science-Center-Netzwerks überzeugt.

Die Presse: Warum engagieren Sie sich für die Wissenschaft?

Margit Fischer: Ich habe 1992 mein erstes Science Center in Vancouver gesehen und war fasziniert. Damals habe ich mir gesagt: Warum dürfen sich unsere Kinder nicht mit so viel Lust, Freude und Intensität mit Forschung beschäftigen und sich an Wissenschaft herantasten? Das war der Anfang.

Wie macht man Menschen am besten Lust auf Wissenschaft und Technik?

Indem man sie einbindet. Man lässt sie experimentieren, konfrontiert sie mit Natur- und Sozialwissenschaften in einer Art, die sie fesselt. So, dass sie beginnen weiterzufragen, sich weiter damit zu beschäftigen, aber auch erkennen, dass es keine fertigen Antworten gibt, sondern, dass man immer weiterfragen und kritisch sein muss. Je tiefer man sich auf eine Materie einlässt, desto faszinierender wird sie.

Trotz vieler Bemühungen ist das Bild der Wissenschaft in der österreichischen Öffentlichkeit kein besonders gutes. Woran liegt das?

Sehen Sie, das Science-Center-Netzwerk gibt es seit dem Jahr 2005. Wir haben ohne Partner begonnen. Im Jänner 2015 haben wir das zehnjährige Jubiläum gefeiert und in der Zwischenzeit in Österreich 160 Partner. Als ich 1992 das erste Mal zu einer Ecsite-Konferenz (das europäische Netzwerk für Science Centers und Museen, Anm.) nach Kopenhagen fuhr, waren dort keine 80 Teilnehmer. Unsere Konferenz hat nun über 1000 Teilnehmer aus aller Welt. Es tut sich also viel, aber es könnte noch viel mehr sein.

Sie unterstützen die Ecsite seit vielen Jahren. Wo liegt Österreich aus Ihrer Sicht in der Wissenschaftsvermittlung im Europa-Vergleich? Wie viel fehlt uns zum Europameister?

Wir vergleichen uns nicht, sondern lernen lieber voneinander. In Österreich sind wir insofern weltweit einzigartig, weil wir kein einzelnes, großes Science Center haben. In einem großen Haus steht man vor ganz anderen Herausforderungen, finanziell und organisatorisch. Wir sind ein Netzwerk, das macht uns flexibler. Wir bringen Wissenschaftskommunikatoren zusammen, die dann Ausstellungen miteinander machen. Auch wir selbst machen Ausstellungen, etwa den Wissensraum in Wien, der immer zwei bis drei Monate in einem Wohngebiet mit besonders bildungsfernen Schichten stattfindet. Um gerade die zu fördern.


Über den Tellerrand geblickt: Gibt es international Beispiele, die Ihnen besonders imponieren?

Mit gefällt das Technorama im Schweizer Winterthur besonders. Es hat einen sehr hohen Anspruch an wissenschaftliche Perfektion. Zugleich funktionieren die Stationen, an denen man allein oder unter Anleitung Experimente machen kann, perfekt.

Wie spektakulär darf Wissenschaftsvermittlung sein?

Sie darf spektakulär sein, solange der wissenschaftliche Hintergrund stimmt. Das Experiment, also die Darstellung, muss wissenschaftlich korrekt und nachvollziehbar sein.

Braucht die Wissenschaft Helden, die ihre Forschung ähnlich wie Popstars präsentieren?

Das würde ich mir nicht wünschen. Das verfälscht. Die Wissenschaft per se soll der Held sein und nicht der Vermittler.

Hat Ihre eigene Prominenz als Zugpferd für die Wissenschaft geholfen?

Als Frau des Bundespräsidenten hatte ich vielleicht leichter Zugang zu Gesprächspartnern. Mein Mann hat die Initiative immer sehr unterstützt.

Also ist die Österreich-Premiere der Ecsite gewissermaßen auch eine Krönung Ihrer Zeit als First Lady?

Absolut.

Was braucht die Wissenschaft neben Reputationsarbeit noch besonders dringend?

Sie braucht Geld und Verständnis dafür, dass man ohne Geld nichts machen kann.

Sollte Wissenschaftsvermittlung schon Teil der universitären Curricula, also der Studienpläne an heimischen Hochschulen, sein?

Wir arbeiten daran.

ZUR PERSON

Margit Fischer wurde 1943 in Stockholm geboren. Mit sechs Jahren übersiedelte sie mit ihren Eltern, die vor der Nazi-Diktatur geflüchtet waren, nach Wien. Die Ehefrau des österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer besuchte 1992 erstmals ein Science Center, seither engagiert sie sich für die Vermittlung von Forschung. Seit 2005 ist sie Vorsitzende des Vereins Science-Center-Netzwerk, der Menschen aller Altersstufen einen unbefangenen Zugang zu Wissenschaft und Technik ermöglichen will. Der Verein ist Mitveranstalter der Ecsite-Tagung, die bis heute in Graz stattfindet.

LEXIKON

Ecsite, das European Network of Science Centers and Museums, bündelt etwa 400 Science Centers und Wissenschaftseinrichtungen. Beim Jahrestreffen (7. bis 11. Juni) in Graz diskutierten rund 1000 Experten, wie sich Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung am besten der breiten Öffentlichkeit vermitteln lassen.

Das Science-Center-Netzwerkorganisiert die Konferenz gemeinsam mit dem Kindermuseum Graz und dem Universalmuseum Joanneum. Die Veranstaltung findet erstmals in Österreich statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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