ÖFB-Team: Die Choreografien der Provence

FUSSBALL-EM: TRAINING �FB-TEAM IN MALLEMORT/FUCHS/ARNAUTOVIC
FUSSBALL-EM: TRAINING �FB-TEAM IN MALLEMORT/FUCHS/ARNAUTOVIC(c) APA/ROBERT JAEGER
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Österreichs Fußballteam ist in Mallemort herzlich empfangen worden, die Spieler fühlen sich in Südfrankreich wohl. Marc Janko und Marko Arnautović sind wieder fit, selbst Reservisten wie Jakob Jantscher versprühen Teamgeist.

Mallemort. Österreich ist in Mallemort, einem 6500-Einwohner-Ort in der Provence, die Attraktion. Fahnen wehen in den Straßen, vor dem Eingang zum Trainingsgelände prangt das ÖFB-Wappen, und auch der herzliche Empfang durch 500 Zuschauer beim ersten von nur drei öffentlichen Trainings vermittelte Emotionen. Das vorwiegend jugendliche Publikum applaudierte während der knapp 90-minütigen Einheit im Stade d'Honneur, sogar eine Choreografie war auf der Tribüne zu sehen. Auf Anweisung der Ordner hoben die Zuschauer jene roten und weißen Zettel in die Höhe, die vor dem Training verteilt und sonst zumeist als Sitzunterlage verwendet wurden . . .

Praktisch in der letzten Aktion dieser Einheit sorgte Marko Arnautović für eine Schrecksekunde. Der Wiener zog allein aufs Tor, traf nur das Außennetz und ging zu Boden. Wenige Minuten später schrieb Arnautović wie seine Teamkollegen bereits wieder geduldig Autogramme und posierte für Selfies. Auch Marc Janko wurde tags darauf von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner wieder als fit im Team zurückgemeldet. Sowohl Janko als auch Arnautović werden damit im ersten EM-Spiel am Dienstag (18 Uhr) in Bordeaux gegen Ungarn dabei sein.

Enorme Auskunftsfreude

Etwas komplizierter könnte sich die Sache bei Janko darstellen. Der Goalgetter trainierte am Donnerstagnachmittag teilweise individuell, laut offiziellen Angaben wegen Verspannungen im Nackenbereich. Allerdings griff sich der bald 33-Jährige auch des öfteren auf den linken Oberschenkel. Am 10. April hatte sich Janko einen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich im linken Oberschenkel zugezogen, am 31. Mai gab er im Testspiel gegen Malta sein Comeback. Ruttensteiner sagt: „Marc ist ein irrsinnig erfahrener Spieler. Er weiß ganz genau, was auf ihn zukommt und wie er seinen Prozess steuern kann. Er wird am Dienstag voll da sein.“

Ruttensteiner durfte Zeuge sein, als Teamchef Marcel Koller den Seinen die ungarische Mannschaft per Videostudium näherbrachte. Er, Ruttensteiner, habe freilich verstanden, wie denn der Schweizer das Spiel anlegen werde, er nannte Kollers Ansatz eine „fantastische Analyse“. Auskunftswilliger war der 53-Jährige, was die Zielsetzung des Nationalteams für die EM betrifft. „Wir wollen von Spiel zu Spiel denken und die Gruppenphase überstehen, alles andere wird man sehen.“ Das erscheint wenig verwunderlich.

Ein erfolgreiches Abschneiden sollte zumindest an den Rahmenbedingungen im elitären Quartier in Mallemort nicht scheitern. „Wir haben hier absolute Top-Bedingungen“, sagte Ruttensteiner, der damit endgültig auch alle Bedenken vom Tisch wischte, der Platz, insbesondere der Rasen, würden den Anforderungen des ÖFB-Teams nicht entsprechen. Dass schon Frankreich bei der Fußball-WM 1998 im selben Hotel wohnte und auch auf diesem Platz trainierte, darf nicht in Vergessenheit geraten. Ebenso das Endergebnis: Frankreich wurde Weltmeister.

Nicht im Rampenlicht stehen zumeist bei großen Turnieren diejenigen, die als Reservisten ihr Auslangen finden müssen. Für Stefan Ilsanker und Jakob Jantscher ist die Ersatzbank reserviert, dieser Tatsache sind sich beide bewusst, daran stoßen sie sich aber auch nicht. Ebenso Torhüter Heinz Lindner wird eher zusehen denn mitspielen – dafür zeigte er im Training als Stürmer großen Einsatz. „Es fällt nicht schwer, wenn man mit dem Adler auf der Brust für sein Land spielen kann, egal ob in der 1. oder 93. Minute“, erklärte Jantscher. „Keiner ist auf den anderen neidisch. Wir gewinnen und verlieren miteinander, und wenn man spielt, gibt man sein Bestes.“

Das Treffen alter Bekannter

Er hält derzeit bei 22 Länderspielen und einem Tor, sein Debüt feierte der Steirer am 6. Juni 2009 beim 0:1 in Serbien. „Seither ist viel Positives passiert“, sagt der 27-Jährige. Neun Siege aus zehn Qualifikationsspielen können auch ein Ballast sein, naturgemäß ist die Erwartungshaltung gestiegen, umso größer ist natürlich die Enttäuschung bei Niederlagen, weiß der Schweiz-Legionär. Damit die Pflichtspielserie fortgesetzt wird, muss Ungarns Top-Star Balázs Dzsudzsák entschärft werden. Jantscher kennt den Flügelspieler aus Zeiten bei Dynamo Moskau. „Er ist sicher ein Spieler, der Qualität mitbringt, er hat einen guten linken Fuß.“

Auch Ilsanker trifft in Bordeaux auf einen Bekannten – Goalie Péter Gulácsi, Vereinskollege bei RB Leipzig, steht im Kader der Magyaren. „Ich habe eine Stunde mit ihm telefoniert und ihm zur Hochzeit gratuliert“, erzählte der Mittelfeldspieler. Nach der Partie sei ein Leiberltausch vereinbart, dass auch Gulácsi wohl auf der Bank sitzen wird – im Tor spielt Gábor Király –, ist purer Zufall. Ilsanker sagt: „Es macht Spaß, die Fans stehen hinter uns. Ich bin begeistert, ein Teil davon zu sein.“ (cg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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