Deutsche Verteidigungsministerin kritisiert Türkei scharf

Von der Leyen ist über Entwicklungen in der Türkei beunruhigt.
Von der Leyen ist über Entwicklungen in der Türkei beunruhigt.REUTERS
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Die Türkei müsse Meinungsunterschiede mit Deutschland aushalten. Es gibt verstärkte Sicherheitsmaßnahmen für türkischstämmige Bundestags-Abgeordnete.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die Regierung in Ankara scharf kritisiert. "Es gibt Entwicklungen in der Türkei, die uns zutiefst beunruhigen, wie etwa Einschränkungen bei der Pressefreiheit oder Missachtung von Menschen- und Minderheitsrechten oder der Umgang mit Parlamentariern", sagte von der Leyen der "Welt am Sonntag".

"Eine Partnerschaft muss aushalten, dass man Kritik aneinander übt und auch in der Lage ist, Meinungsunterschiede auszuhalten", hob die Ministerin hervor. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstag die Reform zur Aufhebung der Immunität der türkischen Parlamentsabgeordneten in Kraft gesetzt, die die Volksvertretung Ende Mai beschlossen hatte. Die Aufhebung der Immunität ermöglicht die Strafverfolgung zahlreicher Abgeordneter, darunter dutzende Parlamentarier der Kurdenpartei HDP.

Die türkische Opposition sieht darin einen Versuch, sie mundtot zu machen, auch aus Berlin kam Kritik. Noch schwerer belastet wird das Verhältnis beider Länder durch die türkischen Reaktionen auf die Verabschiedung einer Armenien-Resolution durch den Bundestag. Erdogan warf deutschen Abgeordneten mit türkischen Wurzeln vor, ein Sprachrohr der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein und "verdorbenes Blut" zu haben.

Polizeischutz für türkischstämmige Abgeordnete

Von der Leyen lobte in dem Interview allerdings, dass die Türkei drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe: "Dafür hat das Land unsere ehrliche Anerkennung verdient." Die CDU-Politikerin räumte ein, dass Europa in der Flüchtlingskrise Fehler gemacht habe. "Dass uns die Flüchtlingskrise so kalt erwischt und erschüttert hat, haben wir Europäer ganz allein selbst zu verantworten", sagte sie der "WamS". Die Europäer hätten den Schengen-Raum eingeführt und die Vorteile genossen, ohne über "die unangenehmen Seiten" zu sprechen. Nun müsse dies unter großem Druck nachgeholt werden, sagte von der Leyen.

Die in der Türkei heftig kritisierte Armenien-Resolution hat unangenehme Nachwirkungen für die elf türkischstämmigen Abgeordneten des Bundestags. Wegen Morddrohungen und Beleidigungen erhalten sie nun verstärkten Polizeischutz. Zudem gebe es weitere Sicherheitsmaßnahmen für das berufliche und private Umfeld der Parlamentarier, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Dies sei das Ergebnis einer Sitzung von Abgeordneten mit Vertretern des Bundeskriminalamts (BKA), der Berliner Polizei und der Polizei des Bundestages. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sagte dem Blatt: "Die Bedrohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete sind nicht zu akzeptieren." Selbstverständlich würden - wenn erforderlich - die Sicherheitsmaßnahmen angepasst. Die meisten der 3,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland seien aber gute Nachbarn. "Die Straftäter und Extremisten sind Einzelfälle", sagte der CDU-Politiker.

Von Türkei-Reisen abgeraten

Grünen-Chef Cem Özdemir berichtete als Initiator der Armenien-Resolution von Drohungen gegen ihn wie: "Irgendwann werden Deine deutschen Freunde das vergessen haben - wir nicht Oder: Wir finden Dich überall." Dies müsse man ernst nehmen.

Einem "Spiegel"-Bericht zufolge kommt das Auswärtige Amt in einer internen Einschätzung zu dem Schluss, dass die türkischstämmigen Abgeordneten in nächster Zeit nicht in die Türkei reisen sollten. Für ihre Sicherheit könne nicht garantiert werden.

(APA/AFP)

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